6648923-1958_41_09.jpg
Digital In Arbeit

Roman der letzten Kriegsjahre

Werbung
Werbung
Werbung

Klaus Stephan hat es in seinem Roman mit den letzten, Kriegsjahren zu tun und mit einem Hitlerjungen namens Treptow, der, ideologisch verseucht, durch den Schlamassel gezogen wird, bis er endlich merkt, daß man ihn mißbraucht hat und daß seine Götter nur Popanze waren. Aus Bubenspielen wird blutiger Ernst, aus pubertären Idealen eine große Schweinerei und die systematische Pervertierung der Jugend endet in Resignation. Der Schluß ist wie eine Paraphrase von Rilkes Legende vom verlorenen Sohn. Es ist nicht nötig, mehr zu sagen, denn wir wissen ja noch, wie es zu- und herging und wie man Jungen mit 16 Jahren an die Kanonen gestellt | hat.

Wir haben es hier aber nicht mit diesen zum Him-mel schreienden Vorkommnissen zu tun, sondern mit der Art und Weise, wie sie dargestellt sind, und mit einem Roman, den wir mit gemischten Gefühlen gelesen haben, weniger des Stoffes wegen als der Machart. Denn Klaus Stephan scheint etwas allzu gut zu wissen, wie man schreiben und mixen muß, um auch Schauerlichkeiten noch kulant zu machen. Er hat sich nichts entgehen lassen, weder die Bombennächte noch das Chaos der letzten Tage, weder die Heuschoberszenen noch den mehr oder weniger witzigen Latrinendialekt der Front- und Etappenschweine, weder die Rindviechereien in den Arbeitslagern noch den ideologischen Stumpfsinn, der sich in wohldressierten Gehirnen ausbreitete. Dagegen wäre an sich nichts zu sagen, denn so ist es ja gewesen. Was uns aber fragwürdig wurde, das war die Mischung, die nach wohlausprobierten Rezepten auch hier wieder versucht worden ist. Klaus Stephan ließ weder die Flachheiten zu flach noch den Tiefsinn zu tief werden, und der Tragödie folgte immer gleich das Satyrspiel. Sobald die Atmosphäre etwas drückend wurde, ließ er billige Mädchen aufmarschieren und machte wieder fünf Seiten weit in Erotik; und wenn er glaubte, die Leser hätten nun genug Brandgeruch in der Nase, pfiff er seine drei Witzbolde auf die Szene und ließ eine Posse von-statten gehen. Alles löffelweise und wohldosiert: ihiernetw-as. zum iLachen, dort etwas; zumi Weinen und dazwischen allerlei amouröse Unterhaltung. Wir können darum einen solchen Roman nicht ernster nehmen als er gemacht ist; denn hier hat sich keiner von einem Ungeheuerlichen befreien müssen, sondern hier schrieb ein Literat, der wählen konnte: entweder dieses oder jenes oder auch etwas ganz anderes. Bezeichnenderweise ist dieser Roman denn auch zuerst in einer deutschen Illustrierten erschienen, fortsetzungs- und also eben auch nur löffelweise.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung