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Das rechte Wort zur rechten Zeit

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ln einer der letzten Nationalratssitzungen vor Ferienbeginn ging es um den russischen Nobelpreisträger Andrej Sacharow. Die Volkspartei fiel mit ihrer Forderung an die Bundesregierung, in Moskau zugunsten einer Ausreisegenehmigung formell vorstellig zu werden, durch.

Ein Ja von SPÖ und FPÖ hätte der Sache ebenso wenig geschadet wie ein vorheriger Versuch der ÖVP, sich mit den Regierungsparteien über einen gemeinsamen Entschließungsantrag zu einigen.

Wahr ist, was der Abgeordnete Felix Ermacora in der Debatte hervorhob: Die „stille Diplomatie“ hat ihre Vorzüge, aber sehr wohl auch ihre Grenzen. Wenn sie zum alleinigen Grundsatz der Politik wird, degeneriert deren Inhalt zum Schacherobjekt von Bauchladenhändlern: Um gut Wetter zu machen, wird im Bedarfsfall ein bestimmter, möglichst ein prominenter und daher auch prominent ausschlachtbarer Fall gnädig gelöst — und tausende Namenlose werden weiter geknechtet und gequält.

Deshalb war es richtig und verdient auch nicht im nachhinein betuliche Zurechtweisung, daß der frühere US-Präsident Jimmy Carter die Durchsetzung elementarer Menschenrechte zu einem Hauptziel seiner Politik erklärt hatte — auch wenn die Verwirklichung bisweilen stümperhaft anmutete.

Deshalb war es betrüblich, im Wahlkampf 1980 und auch noch knapp danach zu erleben, wie Leute im Reagan-Lager diese Politik mit Spott und Hohn begossen. Und deshalb ist es wieder erfreulich, daß Präsident Ronald Reagan nunmehr ernsthaft bemüht erscheint, möglichen Fehldeutungen solcher Wahlkampfrhetorik entgegenzuwirken.

Dieser Tage bereiste eine kleine Delegation, die vom einstigen US- Vizeaußenminister Walter Stoes- sel als Sonderbotschafter geführt wurde und der auch Elliott Ab- rams als Unterstaatssekretär für Menschenrechtsfragen angehörte, Hauptstädte in Europa. Ziel der Reise war eine Bestandsaufnahme in Menschenrechtsfragen.

In Wien trafen die diplomatischen Pfadfinder mit Außenminister Lanc, Altkanzler Kreisky, Kardinal König und hohen Diplomaten zusammen. Im kleinen Kreis hoben Stoessel wie Abrams hervor, daß es auch unter Reagan keine Zweiteilung der Menschenrechtspolitik gebe: Kritik an den Sowjets, gnädiges Schweigen gegenüber folternden Interessen- und Allianzpartnern.

Freilich hält Reagan es (bei Freunden) wie Kreisky (bei den Sowjets) mehr mit der stillen Diplomatie. Aber letzten Endes wissen die einen wie die anderen, daß es auf die richtige Mischung ankommt: das Reden und das Schweigen je zur rechten Zeit.

Vom offiziellen Österreich wünscht man sich ein wenig öfter wieder das rechte, kluge, laute, öffentliche Wort.

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