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Verstaubtes von Reagan

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„Ich liebe die Schauspielerei. Sie hat meinem Leben Inhalt gegeben. Mir ist allerdings auch klar geworden, daß man in diesem Metier sehr leicht den Blick für die Wirklichkeit um einen herum verlieren kann.”

„Mein Herz hing an drei Dingen: Schauspiel, Politik und Sport- allerdings nicht unbedingt immer in dieser Reihenfolge.”

Wer solches schrieb? No — der Präsident der westlichen Supermacht, Ronald Reagan! Zitate, mit denen man dem Mann im Weißen Haus leicht Fallstricke drehen könnte, nähme man sie allzu wörtlich.

Doch bleiben wir gerecht: Die Zitate stammen aus einer Autobiographie, die in den USA 1965 erschienen ist, zu einer Zeit also, als es den Politiker Reagan eigentlich noch gar nicht gab. Gouverneur von Kalifornien wurde er erst zwei Jahre später und blieb es bis 1975.

Im Grunde genommen ist dieses Buch nicht mehr als ein Ladenhüter. Aber da der Memoiren-Schreiber von 1965 seit knapp zwei Jahren nun einmal der amerikanische Präsident ist und also eine Persönlichkeit im Mittelpunkt des weltweiten Interesses, kann es ein Verlag durchaus wagen, diese Autobiographie mit 17j ähriger Verspätung auch für das deutschsprachige Lesepublikum auf den Markt zu bringen.

Von der politischen Persönlichkeit Ronald Reagans indessen kann man nur wenig erfahren, ebensowenig wie über seine ideologische Einstellung, die damals noch ziemlich unausgereift schien. Nichts zeigt dies besser als die im Anhang abgedruckte Rede, die er auf einer seiner zahlreichen PR-Vortragsreisen für den amerikanischen Elektro-Giganten „General Electric” hielt.

Da schlägt er wild gegen alles los, was ihm zur damaligen Zeit (Ende fünfziger, Anfang sechziger Jahre) nicht paßte: gegen den Kommunismus, Regierungsprogramme, die Bürokratie, Steuern, die damalige US-Außenpolitik usw. Eine abenteuerliche Mischung, die da auf 17 Seiten komprimiert ist. Und da heißt es dann auch noch in einem kursiven Vorsatz, daß eben diese Abhandlung die politische Philosophie von Mr. Reagan „in vorbildlicher Weise” zusammenfasse.

Aber wie gesagt: Dieser Text entstand vor etwas weniger als 20 Jahren. Und daß Reagan ein durchaus lernfähiger Politiker ist, weiß man ja nicht erst, seit er Präsident ist.

Was man sonst noch von Reagan in diesem Buch erfährt: Daß er einen „Hang zur Heldvereh-rung” hat und daß es ihm stets gefiel, im Rampenlicht zu stehen. Das paßt gut zu seiner späteren Karriere als Rundfunkreporter, Schauspieler und schließlich Politiker.

Stark strapaziert wird die Geduld des europäischen Lesers in den ersten Kapiteln von den langwierigen Abhandlungen über den „American Football”. Immerhin erfährt man hier aber auch Interessantes über die Herkunft des jetzigen amerikanischen Präsidenten.

Ronald Reagan weiß, was Armut heißt. „Mein Vater hat in seinem ganzen Leben nie mehr als 50 Dollar die Woche verdient”, berichtet er. Also war die finanzielle

Unterstützung von zu Hause nie besonders groß, schon früh mußte er sich auf die eigenen Beine stellen.

Ob dieses Buch ein „Schlüssel zum Verständnis der Persönlichkeit Ronald Reagans” ist — wie die „Washington Post” schrieb (sicher auch 1965) — in gewissem Sinne: Ja. Was gefällt, ist der Witz und die positive Lebenseinstellung, ebenso auch der kräftige Schuß Selbstironie, der Reagan zu eigen ist und der in diesem Buch immer wieder hervorkommt. Dasselbe gilt für seine Diskretion: Die „Schwäche” seines Vaters — den Alkoholismus — behandelt er .ebenso behutsam, zurückhaltend wie seine gescheit terte erste Ehe mit der Schauspielerin Jane Wyman.

Jene Kapitel, die seine Leinwandkarriere beschreiben, sind wohl nur für Filmhistoriker von besonderem Interesse. Gespannt liest man dann aber über seine Aktivitäten als Funktionär und später Präsident der Schauspieler-Gewerkschaftin den vierziger und fünfziger Jahren, als er in der Zeit der Hollywood-Streiks und Gewerkschaftskämpfe an vorderster Front stand. In diese Zeit fällt auch seine politische Wandlung vom liberalen Demokraten zum konservativen Republikaner.

Alles in allem ein Buch, das gemischte Gefühle hinterläßt. Denn die Aufmachung läßt in erster Linie eine politische Biographie erwarten. Das aber ist dieses Buch nicht, und so fühlt man sich halt ein wenig verschaukelt.

Was außerdem abgeht, ist eine Zeittafel mit den wichtigsten Daten der Karriere des Ronald Reagan im Anhang. Da hätten dann wenigstens in Kurzform die wichtigsten Stationen Reagans nach 1965 nachgereicht werden können.

RONALD REAGAN. Woher ich komme. Verlag Langen Müller, München 1982.372 Seiten mit 40 Abb.. öS 258,40.

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