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Kann Reagan die Krise aussetzen?

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Die Iran-Affäre, vielfach, aber fälschlich schon als Ronald Reagans Watergate apostrophiert, muß auch unter einem ganz anderen Gesichtspunkt als dem analysiert werden, daß hierbei der Präsident persönlich an Ansehen verloren hat. Die Reaktion der amerikanischen Öffentlichkeit auf die insgesamt peinlichen, ja unglaublichen Vorgänge zeigt doch, daß sich die US-Bevölkerung als konservativer erwiesen hat als ihr konservativer Präsident.

Nachdem immer mehr Einzelheiten der fragwürdigen Waffenlieferungen an das reaktionäre und geradezu religiös-faschistische Khomeini-Regime bekannt geworden sind, distanzierten sich immer mehr Amerikaner von ihrem Präsidenten. Während Reagan die Kontaktaufnahme zum Nach-Schah-Persien zu rechtfertigen versucht und es auch an Hinweisen nicht fehlen läßt, wonach derartige Bemühungen auch den US-Geiseln in Terroristenhand zugute hätten kommen können, verurteilen mehr als 60 Prozent der US-Bevölkerung diesen Reagan-Kurs.

Näher befragt, gaben diese Amerikaner immer wieder folgende Beweggründe für ihre Verurteilung der Reaganschen Iran-Politik an:

• Wir müssen strikt zur These stehen, wonach mit Terroristen oder terroristischen Systemen nicht verhandelt werden darf.

• Es darf keinen „Handel“ um Geiseln geben.

• Wir haben unehrlich gehandelt, weil wir unsere Alliierten in Europa für Aktionen und Sanktionen gegen Syrien und Libyen gewinnen wollen, aber selbst mit einem vergleichbaren Regime Kontakte aufnehmen und ihm sogar Waffen liefern.

Das sind eindeutig wert-konservative Bekenntnisse. Sie müssen den konservativen Präsidenten, der sich wider Erwarten dem Khomeini-System gegenüber plötzlich und unerklärlicherweise als liberal erwies, schwer getroffen haben. Wieso Ronald Reagan diesen Iran-Kurs einschlug, bleibt ein Rätsel umso mehr dann, wenn man sich die Bombenangriffe auf Libyen vor Augen führt, wenn man an die Invasion Grenadas denkt und in Rechnung setzt, daß Reagan die Contras gegen das marxistische Sandini-sten-Regime mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützen, schützen und fördern will.

Hier bleibt nur die Feststellung, daß es im Denken der Verantwortlichen im Weißen Haus zu einer ideologischen Fehlleistung gekommen ist.

Der Präsident hat Federn lassen müssen, weil seine Wähler konservativer reagierten, als er erwartet hatte. Aber sicherlich übersteht Reagan dieses Tief, in das er hineingeschlittert ist, auch wenn seine anfänglichen Versuche, seine Kommunikationskunst zum Durchstehen der Krise einzusetzen, scheiterten — erstmals während seiner sechsjährigen Präsidentschaft glaubte ihm eine große Mehrheit des US-Volkes nicht, erstmals auch versagte ihm eine Majorität der Bevölkerung kategorisch die Gefolgschaft.

Jetzt bleibt ihm nur die Taktik, die sich beim deutschen Kanzler Kohl so oft bewährt hat — der pflegt nicht selten Krisen zu ignorieren, sie „auszusitzen“, und fast immer kam Kohl auf diese Weise mit einem blauen Auge davon.

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