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Der letzte Claim wird abgesteckt

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1991 läuft der Antarktisver­trag aus. Was wird dann aus diesem (relativ unberührten) Kontinent? Ein Weltpark oder ein auszubeutendes Roh­stofflager? In Chile verhan­deln derzeit 38 Nationen.

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1991 läuft der Antarktisver­trag aus. Was wird dann aus diesem (relativ unberührten) Kontinent? Ein Weltpark oder ein auszubeutendes Roh­stofflager? In Chile verhan­deln derzeit 38 Nationen.

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Der Preisschock durch die arabi­schen Ölscheichs spornte 1973 die Industrienationen zur Suche nach neuen Ölquellen an. Damals ent­deckte das Forschungsschiff der U.S. Geological Survey am Meeres­grund der Antarktis reiche Vorkom­men. An deren Westküste sollen mindestens 45 Milliarden Faß Erd­öl lagern. Da durch die klimatisehen Bedingungen die Förderung äußerst kostspielig geworden wäre, begnügte man sich vorerst mit dem Abstecken der „Claims" (zugeteil­tes Stück Land). Jetzt, wo eine neue Krise sich zusammenbraut, schie­len vor allem die amerikanischen Ölbosse nach dem antarktischen Feld.

Die Ölreserven in Alaska bergen nur mehr zehn Milliarden Faß. Bei gleichbleibendem Konsum sind sie innerhalb der nächsten drei Jahre aufgezehrt. Bei immer höheren Preisen könnten sich jetzt auch Bohrungen im unwirtlichen Gebiet der Antarktis rentieren. Die Wahr­scheinlichkeit, daß dabei das ex­trem empfindliche Biotop des Kontinents ruiniert werden wird, treibt die Umweltschützer auf die Barrikaden. In einem Appell an die UNO verlangte 1988 Greenpeace einmal mehr die Errichtung eines „Weltparks Antarktis": die Ausbeu­tung der Naturschätze sollte gänz­lich untersagt werden.

Derzeit halten sich nur 10.000 Personen auf dem Kontinent auf; hauptsächlich Personal von For­schungsstationen -aber auch immer mehr Touristen. Die Umweltsün­den sind schon jetzt beträchtlich: Am Boden der Ross-See türmen sich Reifen, Batterien, Bierdosen. Ab­wässer verseuchen die Küsten. Lecke Benzinkanister vermiesen Pinguinen und Robben das Dasein. Die Vegetation - Flechten und Moose - ist so zart, daß Fußspuren noch zehn Jahre später sichtbar sind. Ein expe­rimenteller Reaktor, 1972 demontiert, sorgt im nachhinein für weitflä-chige Verstrahlung. Das Überfischen bedroht vie­le Fischarten. Der Vorrat an Krill - Lebensgrund­lage für viele Fische und Wale - schrumpft beäng­stigend. Und dies alles, obwohl zahlreiche Resolutionen zum Schutz der Antarktis unter­zeichnet wurden: Kernwaffenfrei­zone (1959), Schutz von Fauna und Flora (1964), Schutz der Robben (1972)und des Meereslebens (1980). Die Reinheit der Atmosphäre über der Antarktis gestattete vor eini­gen Jahren die Entdeckung des lebensbedrohenden Ozonlochs. Wird Erdöl und Erdgas gefördert, werden brennende Fackeln bei den Bohrlöchern den Himmel mit Smog verdecken. Von anderen Schäden ganz zu schweigen.

Um der weltweiten Unvernunft zuvorzukommen, haben sich schon vor langer Zeit weltweit 200 Um­weltschutzorganisationen zum „Antarktisbund" (Antarctic and Southern Ocean Coalition) zusam­mengetan. Man will den Kontinent zum Tabuland erklären. Nicht aus Menschenfeindlichkeit, sondern umgekehrt. Ihre Erfolgsaussichten? Nicht nur manche Industrienatio­nen stellten sich gegen jegliche Appelle taub. Vor allem die Länder der Dritten Welt wollten lieber ih­ren Anteil an der Beute sichern als langfristige Zeichen setzen. Die Ölsucher argumentierten, daß al­ternative Energien noch nicht ein­satzfähig seien. Bis dahin müsse man - quasi als Übergangslösung -neue Quellen anzapfen. Die Um­weltschützer hielten dem entge­gen, daß gerade die blinde Förder­sucht den Treibhauseffekt unnötig anheize: Solange Erdöl zur Verfü­gung steht, wird niemand ernsthaft alternative Energien einsetzen.

Weltpark oder Bohrloch: Die Ent­scheidung für das eine oder andere kann man ruhig als Omen für die Zukunft der Menschheit werten.

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