6815156-1973_04_11.jpg
Digital In Arbeit

Der Mensch und sein Traum

19451960198020002020

Anläßlich des 300. Todestages von Moliere bringt das Burgtheater „Der Bürger als Edelmann“. Wir sprachen mit Josef Meinrad, dem Träger der Titelrolle in diesem Stück.

19451960198020002020

Anläßlich des 300. Todestages von Moliere bringt das Burgtheater „Der Bürger als Edelmann“. Wir sprachen mit Josef Meinrad, dem Träger der Titelrolle in diesem Stück.

Werbung
Werbung
Werbung

Furche: Sie proben jetzt „Der Bürger als Edelmann“ von Moliire, was will dieses Stück?

MEINRAD: Dieses Schauspiel ist reine Unterhaltung. Wenn wir den Komödien der Klassiker auf den Grund gehen, so finden wir in ihnen all die Absurditäten, die das heutige Theater sucht.

FURCHE: Der Regisseur ist Franzose, wird dieses Stück sehr französisch inszeniert?

MEINRAD: Barrault hat ein fertiges Konzept, er hat das Stück schon einige Male in Paris inszeniert. Er weiß genau, was er will. Manchmal sind sehr viele Leute auf der Bühne, fünfzig und mehr. Von jedem einzelnen hat er seine Auffassung: Da gibt es Sänger, Tänzer, Schauspieler und andere. Da gibt es Parodien auf die Philosophen, den Fechtmeister, Musiker usw. Moliere teilt nach allen Seiten Hiebe aus. Barrault inszeniert es sehr komisch, ja er hat absolut keine Hemmungen, es bis zur Groteske zu steigern. Es ist wirklich pure Unterhaltung!

FURCHE: Wie liegt Ihnen der Franzose, den Sie spielen?

MEINRAD: Es ist nicht immer reizvoll, was leicht fällt. Aber so verschieden von den Österreichern sind die Franzosen nicht, sie denken und sprechen schneller.

FURCHE: Würden Sie auch in den jetzt so häufigen absurden Stücken spielen?

MEINRAD: Es ist reinster Zufall, daß ich in letzter Zeit nicht in so einem Stück gespielt habe. Aber wenn ich ein Drama zu lesen bekomme, und ich verstehe nicht, worum es geht, würde ich es ablehnen. Diese absurden Spaße sind ja nichts Neues. Schon in der Schauspielschule haben wir a, b, c, d,... aufgesagt und sollten Emotion und Dramatik hineinlegen. Schauen Sie, ins Theater geht man, um aus dem Alltag herausgehoben zu werden. Was kann so eine Formsache vermitteln? Natürlich ändert sich das Aussageziel, auch was man im Theater erwartet. Ich schaue aber deshalb keineswegs zurück.

FURCHE: Welche Art von Stücken sagen Ihnen am meisten zu?

MEINRAD: Am besten liegt mir sicher das österreichische. Ein Nestroy zum Beispiel. Er ist gar nicht einfach zu spielen, oft hat er viel Gemeinsames mit Moliere. An und für sich ziehe ich das Ungekünstelte vor; darum stehe ich, ehrlich gesagt, gern vor der Kamera: Ein Mensch sein ohne Drum und Dran. Deshalb liebe ich auch sehr die Einakter der Ingrisch. Da kommt das Menschliche richtig zum Vorschein. Da gibt es in allen Akten tragische Situationen, die zum Lachen sind. — Ansonsten ziehe ich Problemstücke aus der heutigen Zeit vor, die eine Aussage haben.

FURCHE: Glauben Sie, kann man heute vom rein Menschlichen her das Publikum berühren, oder sind Sie der Meinung, daß unsere Zeit so sehr abgestumpft ist, daß der Höhepunkt mit durchschlagender Wirkung nur durch Grausamkeit und Scheußlichkeiten erreicht werden kann?

MEINRAD: Ist einer von Natur her ein grausamer Mensch, wird er sich daran erfreuen. Ich kann es mir einfach nicht denken, daß jemand über so etwas zum Nachdenken kommt! Das soll aufrütteln? Ich weiß nicht..

FURCHE: Glauben Sie, Herr Meinrad, kann man heute vom Theater her die Jugend erreichen?

MEINRAD: Es ist meine Uberzeugung, daß es immer Theater geben wird, so wie schon die alten Griechen Theater spielten. — Es gibt Menschen, die lehnen alles ab, die sind allerdings mit 26 Jahren bereits uralt. Diese verbindet dann aber auch nichts mehr mit ihren eigenen Kindern. Wie ich jung war, wollte ich auch die Welt verbessern. Das sind Träume, die wir brauchen. Die Jugend muß träumen. Auch wir brauchen Träume, es sind Versuche, über das reale Leben hinauszukommen. Und Theater vermittelt Träume!

Das Gespräch mit Josef Meinrad führte Linda de Elias-Blanco.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung