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Die Familie im Parteiwappen Ein Katholik an der Spitze

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Vor sieben Jahren ist sie entstanden, als Gegenbewegung zur Freigabe von Abtreibung und Pornographie: Dä-' nemarks Christliche Volkspartei. Seit 1973 ist sie - begünstigt durch die niedrige Sperrgrenze von nur 2 Prozent - im Folketing, dem dänischen Parlament, vertreten; zunächst mit sieben Mandataren, später mit neun, und derzeit mit sechs. Zwischen zwei und vier Prozent der Bevölkerung stimmen für die Christliche Volkspartei; eine recht gute Zahl für eine neue Partei; aber auch wieder nicht überragend, wenn man bedenkt, daß 90 Prozent der Dänen Mitglieder der Volkskirche sind und daß eine andere Neugründung, Mogens Glistrups „Fortschrittspartei“, mit ihrem Appell an den Egoismus auf Anhieb zur zweitstärksten Partei des Landes wurde.

Doch die 90 Prozent Kirchen-Mitglieder sind ja - wie überall - keine repräsentative Zahl. Jens Moller, der Obmann der Christlichen Volkspartei („KrF“), schätzt die Zahl der aktiven Christen auf etwa 8 Prozent der dänischen Bevölkerung. Und diese Christen, so Jens Möller, sind ja auch „Bürger dieser Welt“. Sie haben nicht nur eine Weltanschauung, sie haben auch ökonomische Interessen. Und so sind viele von ihnen seit Jahren in anderen Parteien engagiert. Die KrF erhebt keinen Exklusivanspruch auf die Christen Dänemarks. Aber sie will im säkularisierten Dänemark christliche

Daß das.schwierig'eemikanivtoat sie eben erst zu spüren bekommen, als sie im Zuge einer wohl etwas unglücklich geführten Kampagne gegen die freie Abtreibung in ein unbarmherziges publizistisches Trommelfeuer geriet und bei der^letzten Gallup-Umfrage unter die Sperrgrenze rutschte, was das Ausscheiden aus dem Parlament zur Folge hätte, würde heute gewählt. Aber Widerstand kann die KrF nicht schwankend machen. Jens Möller weiß, daß es für viele Dänen ungewohnt ist, wenn jemand seine Politik auf eine Moral aufbaut, die durch das Verhältnis zu Gott geprägt ist.

Die christliche Volkspartei ist eine kleine Partei. Aber in der dänischen Politik, in der es keine Mehrheiten gibt, seit elf Parteien im Parlament sitzen, haben auch die Kleinen mitzureden. So versucht man, den Gesetzesentwürfen so viel „Christliches“ wie möglich beizufügen; augenscheinlich nicht erfolglos. Vor den letzten Wahlen kam jedenfalls ein führender Sozialdemokrat zu Jens Möller und meinte, die KrF habe in den letzten Monaten im Verhältnis zu ihrer Größe unter allen Parteien den stärksten Einfluß ausgeübt.

Die Wähler belohnten freilich die Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten (und einer Reihe anderer bürgerlicher Parteien) nicht. Die christliche Volkspartei verlor ein Drittel ihrer Stimmen. Jens Möller gibt dem Umstand, daß man sich vielleicht doch zuwenig als christliche Partei markiert habe, nur einen Teil der Schuld an dem Ergebnis. Neue Parteien seien immer zunächst in einem Wellental. Die wichtigste Periode komme jetzt. Nun müsse er sich entscheiden, ob man den Durchbruch schaffe, oder zur Bedeutungslosigkeit absinke. Jens Möller ist von einem positiven Resultat überzeugt. „Eine christliche Partei ist nötig für Dänemark.“

Derzeit hat sich die KrF enger an das bürgerliche Lager angeschlossen. Steht eine „bürgerliche Alternative“ bevor, wie in Norwegen, wo die Schwesterpartei gemeinsame Front mit den Konservativen und dem Zentrum macht? Jens Möller sieht eine Möglichkeit dafür in ferner Zukunft. Sollte sie eintreffen, dann sieht sich die KrF als Garant für eine soziale, moralisch verantwortliche Politik. Einen „Bürgerblock“ um jeden Preis werde man nicht unterstützen. Jens Möller ist um das Image seiner Fraktion als „Partei der Mitte“ besorgt. Deshalb ist er auch einem Anschluß an die christlich-demokratische Fraktion auf gesamteuropäischer Ebene gegenüber skeptisch. Christdemokraten werden in Dänemark mit der CDU/CSU identifiziert - und die gilt - ob zu Recht oder Unrecht steht dabei nicht zur Debatte - als „Rechtspartei“. Dieser Identifikation möchte Jens Möller für seine Partei ausweichen.

Das Parteiabzeichen der KrF zeigt eine Familie im Zentrum. Das ist nicht ein Symbol, das ist ein Programm. Das Bekenntnis zur Familie prägt die Haltung der Partei in allen wichtigen politischen Fragen, ob es sich um Steuer-, Wohnungs- oder Sozialpolitik handelt. Erleichterung der Adoption, Verlängerung des Mutterurlaubes bei der Geburt (derzeit nur drei Monate!) sollen zur Vermeidung von Abtreibungen beitragen. Der Mutterurlaub soll nach Meinung der KrF auf ein Jahr erweitert werden; in dieser Zeit soll die Mutter eine Entschädigung in Höhe des Arbeitslosengeldes bekommen, das in Dänemark etwa 90 Prozent des letzten Gehalts beträgt. „Das sieht nur auf den ersten Blick sehr teuer für den Staat aus“, erläutert Jens Möller. Die freiwerdenden Stellen könnten ja vorübergehend von den vielen Arbeitslosen besetzt werden - und so würde sich der Staat die Unterstützung für diese ersparen; also etwa jene Summe, die dann die Mütter bekämen. (Daß auch gegen diesen Vorschlag sofort Stimmen laut wurden, die ihn frauenfeindlich nannten- er wolle die Frauen an den Herd zurücktreiben -, gehört zu den Eigenheiten dänischer Meinungsbildung via Massenmedien.)

Die Entwicklungshilfe ist ein weiterer Markstein der Politik der Christlichen Volkspartei. Jens Möller glaubt, daß seine Partei dafür verantwortlich ist, daß trotz Rekorddefizit bisher der Plan eingehalten wurde, der Dänemarks Beitrag auf die von der UNO geforderten 0,7 Prozent des Bruttonatio-nalprodukts bringen soll. Im eigenen Parteiprogramm ist als Zukunftsziel freilich eine Marke von 2 Prozent gesetzt.

Jens Möller ist Katholik - in einem Land, in dem die katholische Kirche eine halbes Prozent der Bevölkerung an Mitgliedern zählt. Doch das hat ihm in seiner Arbeit bisher nicht geschadet, eher im Gegenteil. Die lutherische Volkskirche ist in einander widerstrebende Richtungen gespalten; würde der Obmann der Christlichen Volks-

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