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DrucKfehlerteufel

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Der Druckfehlerteufel schläft nie. Er kann etwas lächerlich machen, kann beißen und sogar diffamieren, doch er kann, selten' genug, sich auch einmal in einen hilfr????i-· chen Engel verwandeln.

Als die.Erstauflage von Ludwig Uhlands Gedichten erschien, mußten die Leser von damafs s,ChmÜnzeln. Diese Gedichte vomJ ahre 1 8????5 stellten sich mit folgenden. Eingangsversen vor: „Leider sind, Wir, unser Vater/ schickt un???? in die W eJ t hinaus." Natürlich mußt???? es.".,,,1t-ieder" heißen, es lag also eine „Nfe ta???? thesis" vor, wie man eine deraft.ige Lautumstellung in der fahspi:ache nennt.

Ein Druckfehler kann manc_ „h '.ma l sogar in den Bereich des Ehrem;üh -' rigen führen. Im Juli '1989-verfa1 3te ich für eine Tageszeitung einen Artikel zum 80. Geburtstag des Schriftstellers Hanns Gottschalk. Dort hatte ich an einer Stelle geschrieben: „Im Familiennamen des Autors schon ist die Zwei/altigkeit seiner Person ausgedrückt: Gott und Schalk, halb mystisch Schauender, halb Schelm." Voll Schrecken mußte ich am Erscheinungstag des Artikels lesen: „die Zweifelhaftig- ' keit seiner Person . . . "

Der Tippfehler einer Schreiberin hat jahrzehntelange Folgen gehabt:. Dadurch erhielt ein Theaterstück des Tiroler Dramatikers Franz Kranewitter (1860-1938) ,lzi Kür-schners Literaturkalender den Titel „Emle" (1922). Nahezu alle Literaturgeschichten und Lexika, zuletzt auch Gero von Wilp-erts ·

„Deutsches Dichterlexikon" vom Jahre 1 988, haben diesen falschen Titel übernommen, ohne natürlich das Stück gelesen zu haben; sie hielten „Emle" vermutlich für einen Mädchennamen, wohl eine Koseform für Emma. In Wahrheit heißt das Stück „Ende" und ist eine einaktige Ehetragödie.

Durch derartige Fehler kann . manchmal sogar das Geschlecht verwechselt werden. So wird aus Georg Herweghs „Gedichte eines Lebendigen" plötzlich „Gedichte einer Lebendigen" (Uni-Taschenbücher für Wissenschaft vom Jahr 1 988).

Daß ein Druckfehler sich auch einmal als schöpferisch erweisen kann, ist eine Erfahrung, die Josef Weinheber gemacht hat. Als der Dichter im Herbst 1 933 von einem Wiener Deutschlehrer gebeten wurde, für ein von diesem zusam- . mengestelltes Lesebuch ein Leitwort zum Kapitel „Sprache" zu schreiben, verfaßte er das Gedicht „Hymnus auf die deutsche Sprache", das später in den Lyrikband „Adel und Untergang" ( 1934) aufgenommen wurde. In dem Vers „Du über Gräbern Siegel des Kommenden" hieß es ursprünglich nicht „Siegel", sondern „Spiegel" . Dieses Wort wurde in der Druckerei irrtümlich als „Siegel" gesetzt. Bei der Korrektur erschien dem Dichterder Fehler so sinnvoll, daß er ihn beibehielt. So hat der Druckfehlerteufel einmal auch etwas Dankenswertes geleistet.

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