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Eine lyrische Frnte

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Der Regenbaum. Gedichte. Von Christine Busta. Thomae-Morus-Presse im Verlag Herder, Wien 1951. 127 Seiten

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Der Regenbaum. Gedichte. Von Christine Busta. Thomae-Morus-Presse im Verlag Herder, Wien 1951. 127 Seiten

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Das Erscheinen dieses Buches ist in einem bestimmten Sinn ein geistesgeschichtliches Ereignis. Das Buch hebt an mit Naturlyrik, taufrisch in seiner jungen, unverbrauchten Bildersprache. Hier geleitet es uns an Hand seiner immer sinnvoll, bald mehr, bald weniger «treng gebundenen Rhythmen reimfroh durch die Strophenwelt seiner deutschen Zwei- und Vierzeiler, und damit sachte durch das Jahr. Das Buch enthält ferner eine Fülle reiner Liedkunst in freieren Rhythmen, Legendenhafte« Gleichnishaftes, Lyrik im Odenton. Diese Gedichte gelten den ewigen Themen: Landschaft, Heimat, Liebe, Freude und Trauer, Werden und Vergehen, gelten dem Schöpfer, der Schöpfung, dem Menschen, den letzten Dingen. Manches gemahnt an Trakl. Die zeitgenössische Frauendichtung hat daneben nicht allzuviel Gleichwertiges aufzuweisen. Und doch ist auch diese Lyrik — eine Gedichtgruppe ausgenommen, von der zum Schluß die Rede sein wird — noch immer nicht die Hauptsache: sondern die religiös-soziale. Es war zu erwarten, daß die gesellschaftlichen, Bittlichen und seelischen Nöte unserer Zeit eine« Tages das Herz einer dichtenden Frau so «ehr erregen würden, daß ihr ein Gott zu sagen gab, was wir alle leiden. So wie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert« der Wiener Literatur die Lyrikerin Christiane von Breden (Ada Christen) erstand, die einem ähnlichen Auftrag auf dem Boden de« Freisinns nachkam. so erstand uns Heutigen Christine Busta auf dem Boden des Christentums, allerdings eines in «einem leidenschaftlichen Freimut vielen höchst unbequemen Christentums; eines Katholizismus, der ohne den modernen französischen Katholizismus nicht zu denken ist. Ähnlich wie die sprachkünstlerische Leistung dieser Dichterin im gesamten nicht ganz ohne die modernen französischen Lyriker zu denken ist, wobei es nicht viel Unterschied ausmacht, ob dieser, Einfluß unmittelbar öder mittelbar zustande kam. Hier also liegt rein wirkungsmäßig de; gewiß oe- absichtigte Hauptakzent des Buches, und zwar liegt er unverkennbar auf der sich -selbst gestellten Aufgabe: Gewissensspiegel unserer Zeit zu sein. Und das ist der „Regenbaum“ in einem aufwühlenden Maße. Sein Anruf, ist bezwingend. Freilich kommt gerade hier in etwa ein künstlerisches Manko dieses ansonsten großartigen Buches zutage: es predigt dabei nämlich streckenweise noch zu viel. Und so finden sich denn — vom primär Künstlerischen her gesehen — die eigentlichen Höchstleistungen des Buches unter jenen Gedichten, in denen die Dichterin als Dichterin — gleich intensiv wie im Weltanschaulichen den modernen Franzosen — den alten Griechen begegnete. Hier nun ist alles schlackenlos schön, edel, kostbar. Dem Verlag sei es gedankt, daß er sich nach reiflicher Überlegung zu diesem Buch entschloß. Es ist die angemessenste Ehrung unserer Staatspreisträgerin 1950, die ihre erste literarische Auszeichnung übrigens durch die „Österreichische Furche" erhalten hat.

Dr Friedrich Sacher

So laß ich mich zu Träumen gehen. Dokumente einer Liebe. Von Rainer Maria Rilke. Verlag J. Mader, Gmunden. 78 Seiten.

In dem Buch „Rilke und Benvenuta“, das gegen Ende des letzten Krieges erschien, waren auszugsweise Briefe des Dichters an die Verfasserin wiedergegeben, von denen Rilke behauptete, sie seien das „Größte und Tiefste“, was er je zu geben vermochte. Nun liegen endlich diese Briefe ungekürzt vor. Sie bilden nur ein schmales Bändchen, dessen Inhalt hochinteressant ist: vor allem, weil der Dichter sich hier erstmalig als slawischer Mensch bekennt (wodurch vieles im Leben und Werk des Dichters erklärbar witd). Weiter aber auch, weil in diesen Briefen «o stark wie selten, Rilkes, durch eine lieblose Kindheit, erfrorenes und zerstörtes Herz aufscheint, das immer hoffte, durch das Dasein eines anderen Menschen, den es lieben kennte, geheilt zu werden. Bei „Benvenuta“ schien diese Hoffnung erfüllt, weshalb es begreiflich iet, daß diese Briefe zu den stärksten gehören, die der große Briefschreiber Rilke je verfaßt hatte.

DDr. Willy Lorenz

„Die Gesellschaft vom Dachboden“, 247 Seiten, und „Die Unauffindbaren“, 488 Seiten. Von Ernst K r e u d e r. Rowohlt, Hamburg.

Ernst Kreuder gehört zu jenen Spätsurrealisten, die erkannt haben, daß das psychoanalytische Inventar nicht reich genug ist, um einen dicken Roman nach dem anderen damit aufzufüllen. So versucht er, wie manche andere, den versiegenden Fluß der Symbole zu ergänzen: durch erdichtete Träume, durch Gedächtnisprotokolle von Ausnahmezuständen — die freilich schon Poe in aller wünschenswerten Genauigkeit beschrieben hat — und schließlich auch mit jenen Meditations-flguren, mit denen sich Ja in der Tat so etwas wie eine synthetische Kunst aufbauen ließe.

Kreuder versteht sich ohne Zweifel auf alle diese literarischen Arbeitsmethoden! sie zu koordinieren, gelingt ihm nicht. Die nicht handelnden, sondern erlebenden Helden seiner Handlungen verschwinden nicht in geträumten Blumengärten, sondern in einem zähen Unterholz halber und ganzer Surrealismen, aus dem nur selten ein geglücktes Bild in die Höhe ragt. — «Die Unauffindbaren — das sind Menschen, die sich der Realität entziehen wollen, indem sie sich auf einem finsteren Dachboden oder in yerlassenen Landschaften kindlichen und abstrusen Spielen hingebeni aber eie sind leider auch für den Leser unauffindbar, weil sie zu schemenhaft sind und jegliche Kontur im Arabeskenwerk des literarischen Drum und Dran verloren haben.

Auch Kreuders Schmerz ist groß über die Wunden, die der deutschen Literatur zwischen 1933 und 1945 gerissen wurden. Aber die Traum-Scharpie, die er gewiß anmutig zu zupfen versteht, wird sie leider nicht heilen …

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