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Fabulierlust...

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Für sportbegeisterte Fernseher sind harte Zeiten angebrochen. Das „totale Fernsehen“ hält fast eine Milliarde Menschen auf der gesamten Erde in seinem Bann. Halten die sportlichen Erfolge bislang den Jubel in der Alpenrepublik in bescheidenen Grenzen, so vermiesen sogenannte Kommentatoren die technisch größtenteils hervorragenden Übertragungen leider beträchtlich. Die Vision Ernst Hubertys vom ARD (Erstes

Deutsches Fernsehen), daß „alles was laufen und sprechen kann, vor den Mikrophonen stehen“ wird, ist für Österreichs Sportfreunde traurige Wirklichkeit geworden. Die Zeitungen sowohl der „Arbeiter“ wie auch der „Krone“ verreißen, diesmal zurecht, die Berichterstattung unseres nur zahlenmäßig starken Reporterteams. Selbst wenn man die gewiß nicht zu unterschätzenden Streßsituationen der Kommentatoren berücksichtigt und daher über die zahlreichen „Versprecher“ hinwegsehen will, bleiben die Leistungen insgesamt auf eher bescheidenem Niveau.

Daß Kurt Bernegger, seines Zeichens Sportchef des ORF, der schon beim Verlesen der täglich dreiminutigen Sportnachrichten selten ohne Fehler bleibt, gerade dort zum Einsatz kommt, wo besondere Fachkenntnis vonnöten wäre, war kein „schöner Zug“ des ORF. Kaum war man von den „geschlossenen Sprüngen“ und „mächtigen Sätzen“, die den Hauptinhalt seines Wortschatzes bildeten, verschont, paßten sich seine Berichte vom olympischen Turnen den mäßigen Leistungen der Punkterichter an. Ebenfalls ungenügende Qualifikation muß man Roland Knappet und Peter Beilner attestieren; ersterer fällt nicht nur durch wiederholte Erfindungen neuer beziehungsweise seit Jahrhunderten von der Bildfläche verschwundene Staaten wie etwa Khmer, sondern auch durch Schilderung frei erfundener Vorgänge auf. Letzterer versteht es perfekt, beim Besprechen der „Summary“, wie man offenbar statt Zusammenfassung sagen muß, durch Vorwegnahme des Ergebnisses jegliche Spannung zu vermeiden, Fehlschüsse beim Fußball als „Ausgleich“ zu bezeichnen oder Stemmer, die sich nicht mehr in der Konkurrenz befinden, unter falschem Namen oder veränderter Nationalität bei imaginären Rekordversuchen zu schildern. Doch auch Erich Weiß scheitert des öfteren bei den von drei verschiedenen Geschlechtern gebildeten Hürden der deutschen Sprache, wie etwa „das letzte Teil des Bootes“. Hat das germanische Seminar der Universität Kiel den deutschen Sportreportern „mageren Wortschatz und reichliche Fabulierlust“ bescheinigt, so ist Österreichs Vertretung in dieser Branche zu obiger Qualifikation außerdem die Unfähigkeit, Grundbegriffe oder gar Feinheiten mancher Sportarten zu erläutern, vorzuwerfen. Bei manchen des immerhin 22 Personen umfassenden ORF-Olympiateams endet offenbar auch der sportliche Horizont am kleinen Strafraum des Fußballs, und die laufenden Entschuldigungen für die „nicht im Bereiche des ORF“ liegende Auswahl der Sendungen müßten eigentlich dahingehend ergänzt werden, daß aus Zeitmangel oder Desinteresse ganz einfach gewisse Voraussetzungen zu einer fachlich einwandfreien Berichterstattung fehlen.

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