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Parteibrille schadet dem Föderalismus

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Die Reaktionen auf die Vorarlberger Volksabstimmung vom 15. Juni waren fast noch aufschlußreicher als das Ergebnis selbst: Das Ja von 69,3 Prozent auf die Frage, ob Vertreter des Landes bei Nationalrat und Bundesregierung für mehr Eigenständigkeit der Länder und Gemeinden vorstellig werden sollen, werteten die einen als „hervorragendes Mandat” für solche Verhandlungen, die anderen sahen in den 30,7 Prozent Nein-Stimmen ebenso einen Parteierfolg wie „einen Dämpfer für Separatisten”.

Als Maßstab für Erfolg oder Mißerfolg muß da die Landtagswahl des Vorjahres herhalten, Stimmenteile werden Volksabstimmungsanteilen gegenübergestellt.

Daran, daß sich eine solide Zweidrittelmehrheit für mehr Landesrechte ausgesprochen hat, gibt es nichts zu deuteln. Und das ist für die Vorarlberger Landespolitiker aller Parteien ein ganz konkreter Auftrag.

Unbestreitbar haben aber auch um 1,7 Prozent mehr Vorarlberger mit Nein gestimmt, als 1979 SPÖ gewählt haben. Ein Parteierfolg also? Die behauptete Abfuhr für die Befürworter?

Wer dies bejaht, darf sich vielleicht kurzfristig eines Erfolges freuen. Der Sache selbst ist damit ein schlechter Dienst erwiesen.

Die leidet nämlich darunter, immer wieder als parteipolitisches Problem und nicht als Sachproblem betrachtet und behandelt zu werden. Aber das ist für die Föderalismus-Diskussion hierzulande durchaus symptomatisch.

Dabei spielt bei der Kernfrage die Parteisympathie kaum eine Rolle: Klare Kompetenzen und klare Verantwortungen, das wünschen sich nämlich alle Österreicher - und nicht nur 70 Prozent der Vorarlberger.

Wer ist an klaren Kompetenzen und Verantwortungen aber sonst noch interessiert?

Seit eineinhalb Jahrzehnten wogt nun die Diskussion schon hin und her. Die Argumente wiederholen sich ebenso wie die Forderungen.

Nur: Geschehen ist wenig, eigentlich nichts trotz eines gemeinsamen Wunschzettels aller Landeshauptleute, den sie im Oktober 1976 einhellig und feierlich beschlossen haben. Trotz bekundeter Gesprächsbereitschaft seitens der Bundesregierung. Trotz einer parlamentarischen Föderalismus-Enquete mit vielen gescheiten Referaten und Gedanken.

Und bald auch trotz einer Volksabstimmung in Vorarlberg?

Bundeskanzler Bruno Kreisky will sich anhören, was ihm Vorarlbergs Landeshauptmann Herbert Kessler zu sagen hat. Nur anhören?

Das, was ihm Kessler demnächst unterbreiten wird, müßte er schon längst kennen: Das entspricht nämlich weitgehend dem Forderungsprogramm der Bundesländer des Jahres 1976.

Das heißt: die Föderalismus-Diskussion steht heute dort, wo schon vor vier Jahren guter Rat teuer war. Eigentlich beschämend.

Nun liegt es an allen Landeshauptleuten und der Bundesregierung, gemeinsam Versäumtes aufzuarbeiten. Denn der Vorarlberger Unmut war weniger eine Los-von-österreich- als vielmehr eine Nichts-los-in-österreich-Be-wegung. Und da müssen sich alle Parteien bei der Nase nehmen.

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