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Vorarlberg: Verständnis und Sorge

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Am Beispiel der Initiative „Pro Vorarlberg” läßt sich wieder einmal deutlich ermessen, wieviel in Österreich Grundsätze wert sind. Sehr viel nämlich, wenn es nur um den Grundsatz geht: Meine Partei muß um jeden Preis Stimmen (oder, ebenso oft, ebenso mies: Meine Zeitung muß um jeden Preis Leser) gewinnen!

Tatsächlich müßten nämlich viel mehr Politiker (und Chefredakteure) in aller Offenheit sagen: Das Anliegen der Bürgerinitiative ist gut und richtig, der verfolgte Weg ist falsch und gefährlich.

Aus purem Opportunismus sagen die meisten aber nur das erste. Das freilich läßt sich leicht belegen: Österreichs Bundesstaat nimmt immer stärker zentralistische Züge an. Österreichs Bundesregierung nimmt die Länderrechte zuwenig ernst. (Dazusagen müßte man freilich auch: So manche Landesregierung nimmt die Gemeinderechte zuwenig ernst.)

Nicht nur verständlich, sondern notwendig ist, daß die meisten Vorarlberger nicht widerspruchslos hinnehmen, woran sich zuviele andere Österreicher schon gewöhnt haben: Verschwendung öffentlicher Gelder, Funktionärsbereicherung auf Kosten sparsamer und fleißiger Mitbürger, Uberbürokratisierung, Vertuschung von Korruption trotz „Transpa- renz”-Gerede, Aushöhlung föderalistischer Mitgestaltungsrechte trotz Beschwörung leerer Mitbestim- mungs- und Demokratisierungsformeln.

Das sollte eigentlich alle Bundesländer stören. Wenn die Bevölkerung in manchen von ihnen heftiger reagiert, ist das gut so, wenn sie dadurch die Bewohner anderer Länder aufweckt und mitreißt. Was stört, ist der Exklusivitätsanspruch: Vorarlberg soll eine weitgehende Sonderstellung erhalten, eine ganz dicke Verfassungs-Extrawurst, und was die übrigen Länder bekommen, ist egal. Das ist falsch an dieser Aktion.

Gefährlich daran ist, daß hier Hoffnungen geweckt werden, die im Vollmaß unerfüllbar sind. Niemals wird sich im Nationalrat eine verfas- sungsändemde Zweidrittelmehrheit dafür finden! Das wissen die Initiatoren ganz genau und legen trotzdem die Latte gigantisch hoch. Soll damit eine neue Aufputschung der Anti- Wien-Gefühle vorbereitet werden?

Die Vorarlberger sind ebenso wie die Steirer oder die Wiener im Herzen gute Österreicher. Wäre es nicht korrekter und ehrlicher, die Kritik gegen die Zentralstellen statt ständig gegen „Wien” zu richten?

Ein Wort dieser Art, für das ihm Dank gebührt, hat der Vorarlberger Arbeiterkammerpräsident Bertram Jäger gesprochen. Dabei weiß er selbst am besten, was seine Landsleute meinen, wenn sie ihrem Zorn Luft machen. Bis zum heutigen Tag hat kein aufrechter Mann in der Bün- des-SPÖ ein Wort der Entschuldigung für den hinterhältigen Rufmordversuch gefunden, für den das sozialistische Gewerkschaftsblatt „Welt der Arbeit” vom Gericht wie vom Presserat längst verurteilt worden ist.

Zentralistischer Übermut erregt die Vorarlberger zu Recht. Bekämpfen kann man diesen nicht mit unrealistischem Separatismus, sondern mit solidarischem, praktiziertem Föderalismus. Darum wird im Emst gebeten.

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