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Zwischen Raison und Phantasie
Bis vor kurzem beherbergte unsere Stadt drei der meistaufgeführten Avantgardisten: den 1933 bei Krakau geborenen Pen-derecki, den Ungarn György Li-geti, Jahrgang 1933, und den 1919 in Krakau geborenen Roman Haubenstock-Ramati. Die beiden ersten hat man ziehen lassen: Penderecki ist vorläufig in seine Heimat zurückgekehrt, Ligeti hat eine Professur in Hamburg angenommen, und nur Haubenstock-Ramati ist uns geblieben, da man ihn zu beschäftigen verstanden hat: als Lektor für neue Musik in der Vniversal-Edition und als Kompositionslehrer an der Hochschule für Musik.
Für beide Funktionen ist er in ganz besonderer Weise geeignet. Nach einem völlig „normalen“, d. h. traditionellen Musikstudium an den Universitäten Krakau und Lemberg, bei bestrenommierten Pädagogen wie Artur Malawski und Josef Kofier, der die Schön-bergsche Zwölftontechnik mit klassischen Formen zu verbinden suchte, gab es zunächst einmal eine große Pause. 1947 wurde Haubenstock-Ramati zum Leiter der. Musikabteilung von Radio Krakau ernannt. Während dreier Jahre hat er erkannt, daß sein Platz, d. h. der für die Musik, die er schrieb und noch zu schreiben gedachte, dort auf die Dauer nicht sein könnte. Deshalb wanderte er mit seiner Familie nach Israel aus. Hier wurde er Direktor der Staatlichen Musikbibliothek und kurz darauf Kompositionslehrer an der Musikakademie von Tel Aviv.
1958 kehrte er nach Europa zurück, arbeitete zunächst am Studio de Musique Concrete in Paris und folgte dann einem Ruf der Universal-Edition nach Wien. In der Zwischenzeit entstand Werk auf Werk. Schönberg kannte er bereits, nun tritt Webern immer mehr ins Zentrum seines Interesses. Aber er stößt auf Notationsschwierigkeiten für jene Musik, die er realisieren wollte. Er arbeitet an verschiedenen Notationsmethoden und veranstaltet 1959 in Donaueschingen die erste Ausstellung „Musikalische Graphik“, hielt in Darmstadt und in Stockholm Seminare über graphische Komposition und Notation und steuerte selbst die besten, präzisesten Beispiele dieser neuen Nationsform bei.
Bisher sind über 30 Kompositionen für die verschiedensten Besetzungen entstanden, in denen seine Vorliebe für Xylophon, Vibraphon, verschiedene Glocken und differenziertes Schlagwerk wie Tamtam, Becken, Gongs, Tomtom, Marimba und Maracas auffällt. — Was aber am meisten beeindruckt ist, daß Haubenstock-Ramati für jede neue Komposition immer auch eine neue instrumentale Besetzung sowie eine völlig neue Form zu finden bestrebt ist. „Form im Sinne eines Prinzips“, hat er einmal gesagt, „denn sie allein sichert das Gleichgewicht zwischen Raison und Phantasie und verhindert ein Überwiegen eines dieser Elemente“.
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