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Ende gut, alles gut

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Ein letztes großes Konzert in dieser Saison, vor Beginn der Wiener Festwochen, veranstaltete die Musikalische Jugend gemeinsam mit dem österreichischen Rundfunk. Es fand im vollbesetzten großen Musikvereinssaal statt und war ausschließlich neuer und neuester Musik gewidmet.

Der Vater der Moderne ist, wie man weiß, Anton von Webern. In seinem Nachlaß, auf dem Speicher eines Hauses in Perchtoldsdorf, das viele Jahre auch Hugo Wolf als Zuflucht gedient hatte, fand man im Jahr 1965 einen ganzen Stoß Manuskripte: teils frühe Kompositionen, die Webern wohl nicht für die öffentliche Aufführung freigegeben hätte, aber auch Partituren aus den Jahren 1911 bis 1913, die in Besetzung und Stil den opera 10 und 13 nahestehen. Als op. 10 waren elf Orchesterstücke geplant, von denen jedoch nur fünf publiziert und aufgeführt wurden. Weitere fünf wurden an diesem Abend unter der Leitung von Friedrich Cerha durch das Rundfunkorchester aufgeführt. Sie sind in den Farben kräftiger als die uns bekannten Stücke, ebenso kurz, aber wenn man will, expressionistischer und lauter, im ganzen weniger „schön“ als ausdrucksvoll. Zwei Liederzyklen (op. 13 und op. posth. auf Texte von Karl Kraus, Bethge, Trakl, George und Webern) sang die anmutige, hochmusikalische Reri Grist. Die Beziehung zwischen Text und Musik ist beim ersten Hören nicht immer gleich herzustellen, am ehesten noch in den Kompositionen auf eigene — künstlerisch ein wenig blasse und jugendstilhafte Texte. — Den 1. Teil des Programms bildeten Kompositionen der in Wien beheimateten „Zugereisten“ György Ligeti und Roman Haubenstock-Ramati. Von ersterem hörte man die Uraufführung der dreisätzigen Fassung eines Kammerkonzerts, das erst vor kurzem beendet wurde. Summende Streicher, polymetrische Bläserpassagen sowie der Klang von Cembalo und Harmonium, Klavier und Celesta bestimmen den Charakter des knapp 30 Minuten dauernden reizvollen Stückes. — Eine frei und spielerisch waltende Phantasie hat die fünf Sätzchen der „Petite musique de nuit“ von Haubenstock-Ramati geformt und sich dabei der Collage-und Mobiletechnik bedient. Wie fast alle seine Kompositionen hat auch diese nächtliche Serenade etwas Fernöstliches, und zwar nicht nur im Klang, der durch Harfe und Gitarre, Klavier und Röhrenglocken, Trommeln, Marakas und Becken gefärbt ist, sondern auch in der meditativen Stimmung. Das größtenteüs aus jugendlichen Zuhörern bestehende Publikum hat die anwesenden Komponisten, den Dirigenten Cerha, die beliebte Sopranistin Reri Grist und das Rundfunkorchester lebhaft gefeiert.

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