Natürlich ist Bildungsminister Heinz Faßmann dafür zu loben, dass er nach 20 Jahren fruchtloser Diskussion nun einen verpflichtenden Ethikunterricht für diejenigen, die keinen konfessionellen Religionsunterricht besuchen, etablieren will. Man setzt hinzu: Besser heute als morgen sollte dieser auf das gesamte Schulsystem ausgedehnt werden - und nicht bloß in der Oberstufe der höheren Schulen stattfinden.
Natürlich könnte man jetzt ein Jahrzehnt weiter darüber debattieren, ob nicht ein konfessionsübergreifender Religionen-Unterricht das noch bessere Modell wäre. Aber man könnte den Ethikunterricht (der wesentlich auch die Religionen im Land thematisieren muss) schon von Anfang an so anlegen, dass maximale Kooperation mit dem Religionsunterricht der Konfessionen möglich ist.
Und natürlich bleibt klar, dass neben dem Anliegen, dass Werteund Religionsfragen ein Lernthema für alle Schülerinnen und Schüler sein müssen, auch Pragmatik greift: Wer Kinder im Schulalter hat, weiß, dass die Aussicht auf eine Freistunde jeden noch so guten Religionsunterricht konterkariert. Es geht dabei auch gar nicht darum, dass es keine religiös Unmusikalischen geben darf; sondern die Gesellschaft kann es sich aus vielen Gründen nicht leisten, religiös Unwissende heranzuziehen.
Die Ignoranz von Politik
Das Beispiel der never ending story Ethikunterricht kann aber durchaus paradigmatisch verstanden werden. Denn es offenbart die Ignoranz von Politik, sich auf gesellschaftliche Veränderungen einzulassen. Finanzielle Argumente ("zu teuer!") stechen dabei nicht, denn die öffentliche Hand hat sich durch die Abmeldungen vom Religionsunterricht einiges erspart, das auf der Stelle in eine Alternative namens Ethikunterricht zu investieren gewesen wäre.
Darüber hinaus zeigt die Auseinandersetzung, dass sich die Politik generell schwertut, mit der veränderten religiösen Landschaft im Lande umzugehen. Man kann keinen Status Quo als "katholisches" Land bloß festschreiben. Vielmehr geht es darum, die religiöse Pluralität auch im Schulbereich abzubilden und produktiv einzusetzen. Dazu gehört selbstverständlich die unübersehbar steigende Konfessionslosigkeit. Dass es religiösen Konfliktstoff und Klärungsbedarf gibt, ist außerdem unbestreitbar. Schon allein deswegen kann und darf man die Religion im Schulunterricht nicht marginalisieren.
Das jüngste EuGH-Erkenntnis zum Karfreitag zeigt, dass eine politische Neubestimmung der Verhältnisse in Bezug auf Religion ja an allen und Ecken dringlich ist. Denn auch in der Feiertagsfrage steht das katholische Monopol zur Disposition (auch wenn es vordergründig um einen evangelischen Feiertag geht). Die ewige Diskussion um den Ethikunterricht sollte da ein Beispiel dafür sein, wie man es politisch nicht machen darf. Jedenfalls wird es nicht mehr reichen, diese und analoge Fragestellungen jahrzehntelang auf die lange Bank zu schieben.
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