Weniger Prunk macht die Kirche glaubwürdiger

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Ein Mitglied der "Gesellschaft Jesu“ als Papst? Deren Emblem im Papstwappen? Überlegungen eines Jesuiten zur Wahl eines Ordensbruders - die bislang als "unmöglich“ gegolten hatte.

Offen gestanden: Ich bin einigermaßen erschrocken, als ich den Namen Bergoglio hörte. Erinnerungen an den April 2005 wurden wach. Und so kam es ja auch, ziemlich schnell und ziemlich heftig - dieselben Andeutungen, dieselben Vorwürfe: Jorge Mario Bergoglios Rolle während der Militärdiktatur in Argentinien.

Ich saß am vergangenen Mittwoch in einem Hotel in Mailand und verfolgte die lange Stunde zwischen dem Aufsteigen des weißen Rauchs und der Ankündigung des neuen Papstes durch Kurienkardinal Jean-Louis Tauran im Fernsehen auf BBC. Zuvor hatte ich am Grab von Kardinal Carlo Maria Martini SJ für eine gute Wahl gebetet. Martini war 2005 Favorit des reformwilligen Flügels der Kardinäle im Konklave, aus dem Joseph Ratzinger als Benedikt XVI. hervorging.

Schatten der Vergangenheit?

Schon 2005 gab es Meldungen, die auf eine "dunkle Vergangenheit“ Bergoglios während der Zeit der Militärjunta (1976-83) hinwiesen, als er mit General Jorge Videla und Admiral Emilio Massera verhandeln musste. In den Medien waren die Namen zweier Mitbrüder zu lesen: Franz Jalics SJ und Orlando Yorio SJ. Beide waren Mitte der 1970er Jahre verhaftet, verschleppt, gefoltert und monatelang an einem geheimen Ort gefangen gehalten worden. Bis heute sind Gerüchte nicht verstummt, Bergoglio habe sich als Provinzial (1973-79) nicht genügend für sie eingesetzt.

Mehrere Prominente haben ihn verteidigt: Friedensnobelpreisträger Adolfo Pérez Esquivel schloss ebenso wie Leonardo Boff oder der austrobrasilianische Bischof Erwin Kräutler aus, dass Bergoglio mit den Machthabern paktiert habe. Seit vergangenem Freitag steht auf der Website der deutschen Jesuiten eine Erklärung von Pater Jalics, der "mit den Geschehnissen versöhnt“ ist und die Angelegenheit "als abgeschlossen“ betrachtet.

Nun also: Der erste Papst mit dem Namen Franziskus, der erste Nicht-Europäer seit über 1200 Jahren, der erste Lateinamerikaner, der erste Jesuit … Urängste vor jesuitischen Verschwörungen werden nicht ausbleiben. Die Wahl Bergoglios bedeutet aber sicher nicht, dass der Einfluss der Jesuiten im Vatikan stärker wird als bisher. Ich gehe davon aus, dass die im Konklave versammelten Kardinäle wussten, was sie taten. Sie haben sich für einen Ordensmann entschieden. Bergoglio, der durchsetzungsstarke, effiziente Organisator könnte schaffen, was viele erwarten: eine Kurienreform.

Im Jesuitenorden galt Bergoglio als Multitalent: Bereits mit 37 Jahren wurde er Provinzial, danach Rektor in San Miguel, in dem junge Jesuiten aus zahlreichen Ordensprovinzen studierten. Gleichzeitig war er Pfarrer und ein überlegter, planvoller Stratege. Damit hat sich Borgoglio im Orden natürlich nicht nur Freunde geschaffen. Im persönlichen Lebensstil bescheiden, bewohnte er auch als Erzbischof kein Palais und benutzte Bus und U-Bahn.

Namenswahl als Programm

Papst Franziskus ist ein "Pastoralista“. Mit seiner Namenswahl hat der 76-jährige ein Programm angedeutet: die Option für die Armen. War die Agenda Benedikts XVI. Glaube und Vernunft, so lautet seine: Glaube und Gerechtigkeit. Mehr Hirte als Herrscher, mehr Pastoral als Theologie: Das kann dem Amt nicht schaden. Franziskus sagte, er wünsche sich "eine arme Kirche für die Armen“. Prunk, Zeremoniell, höfisches Getue sind ihm fremd. Weniger davon macht die Kirche sicher glaubwürdiger.

Bergoglio wurde 1992 Weih- und 1998 Erzbischof von Buenos Aires, seit 2001 war er Kardinal. Er hat sich mit Präsident Nestor Kirchner und auch mit der heutigen Präsidentin Cristina Fernández Kirchner angelegt, die ihm längst einen Strick aus seiner Vergangenheit gedreht hätte, wenn sie etwas gegen ihn in der Hand hätte. Auch dass er sich an Franz von Assisi orientiert, spricht für ihn. Reformen in der Kirche kamen immer nur zustande durch die Hinwendung zu den Armen. Das ist die große Chance dieses Pontifikats. Die ersten Personalentscheidungen werden zeigen, worauf der neue Papst setzt, welche Kompetenzen er sich holt, wissend, dass er selber nicht alle haben muss - weil er in erster Linie Hirte sein will.

* Der Autor, Chefredakteur der von Jesuiten in München herausgegebenen "Stimmen der Zeit“, leitet das Karl-Rahner-Archiv

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