Neues Ostern für die katholische Kirche

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Wenn der Papst am Ostersonntag den Segen "Urbi et Orbi - Für Stadt und Erdkreis“ spendet, bringt er Eckpunkte eines Amtsverständnisses aufs Tapet. 2013 bietet da neue Perspektiven.

Am Ostersonntag ist es wieder so weit: Da tritt der katholische Pontifex auf die Benediktions-Loggia des Petersdoms und spendet der Stadt - urbi - und dem Erdkreis - orbi - den österlichen Segen. Ein altes Ritual, das in seiner heutigen Form auf das 13. Jahrhundert zurückgeht, und das jedenfalls zwei Eckpunkte des katholischen Papstverständnisses auf aufs Tapet bringt: Für die Stadt ist er gleichermaßen Hirte wie für die gesamte Welt. Ein durchaus schwieriges Verhältnis stellen diese Eckpunkte dar, Spannungen und Ambivalenzen mit eingeschlossen.

Der Bischof der Stadt Rom

Seit wenigen Tagen sitzt nun ein Neuer auf dem römischen Bischofsstuhl. Und auf den ersten Blick scheint mit Papst Franziskus ein wenig mehr an orbi in die katholische Kirche eingezogen zu sein. Jedenfalls wurde mit der Wahl des Mannes "vom anderen Ende der Welt“ jedenfalls die Rede von der "Welt“-Kirche auch in der Person des Führers sichtbar. Geht nun das europäische Zeitalter in der katholischen Kirche endgültig zu Ende? Bei den Protestanten der Welt oder bei einer globalen Sicht auf die Anglikaner manifestiert sich diese Entwicklung schon seit längerem auch in den Personen. Das neue Ostern für die Katholiken scheint von derartigem Moment mitbestimmt. Und Franziskus, der Papst, hat bislang bereits eine Agenda, die eben von der Welt, von orbi, getragen zu sein scheint, vorgelegt: Armut als spirituelle Kategorie wie als politischer Skandal, Friede, wie er ihn dem Vorbild seines Namenspatrons Franz von Assisi entnimmt, sowie - gleichfalls angelehnt an dessen Beispiel - Zärtlichkeit gegenüber der Schöpfung.

Doch in den wenigen Worten und Gesten, die das neue Pontifikat bislang charakterisieren, ist gleichrangig von urbi oder der Rückbindung daran zu sprechen. Bei seinem ersten Auftritt sprach Franziskus von sich als "Bischof von Rom“. Bernd Hagenkord, Jesuit und Leiter der deutschsprachigen Sektion von Radio Vatikan, bestätigt gegenüber der FURCHE, dass sich der neue Pontifex bislang immer so und nicht als "Papst“ bezeichnet hat (vgl. dazu das Interview auf Seite 12). Man kann dies gutkatholisch nennen oder zumindest als rechtes Gespür qualifizieren. Jedenfalls war vom ersten Augenblick an präsent, dass das Christentum dieser Prägung ohne die Rede von der Stadt - urbi -, als Metapher wie als Wirklichkeit, nicht denkbar und verstehbar ist.

Schon in seinen Wurzeln baut das Christentum auf solchem Bild - positiv wie negativ. In der Stadt Jerusalem kulminiert die jüdische Sehnsucht und fürs Christentum gilt Selbiges nicht minder: Jesu Passion und Auferstehung werden in den Evangelien als Tage in Jerusalem geschildert. Jerusalem ist Golgotha. Und Ostern. Auch die für das Volk Israel traumatische Exil-Erfahrung wird in der Schrift mit einer Stadt identifiziert - Babylon, im Buch Genesis gar als Stadt namens "Wirrsal“ (Babel) bezeichnet.

Das sich ausbreitende Christentum wurde gleichfalls über seine Städte, nicht zuletzt die Metropolen der damaligen Welt beschrieben - Jerusalem, Antiochien, Alexandria, Athen, Rom … … Und die Christen waren als Bewohner der Stadt identifiziert: "Sie bewohnen Städte von Griechen und Nichtgriechen, wie es einem jeden das Schicksal beschieden hat“, so schildert es der Brief an Diognet, eine frühchristliche Schrift aus dem zweiten Jahrhundert.

Christentum, die Stadtreligion

In derselben Schrift heißt es auch: "Denn die Christen sind weder durch Heimat noch durch Sprache und Sitten von den übrigen Menschen verschieden. Sie bewohnen nirgendwo eigene Städte, bedienen sich keiner abweichenden Sprache und führen auch kein absonderliches Leben.“ Das Christentum ist also eine "Stadtreligion“. Dies sollte auch dem säkularen Zeitgenossen wieder ins Gedächtnis gerufen werden, der vor allem im religionsmüden Europa das gelebte Christsein als Phänomen ländlicher Gesellschaften zu beobachten glaubt. Urbanität ist in dieser Sichtweise gleichbedeutend mit Abwendung von Religion. Aber eben der Blick zu den Ursprüngen zeigt, dass die Entstädterung keinesfalls den Anfang der Christentumsgeschichte markiert, sondern oft eine sehr junge Entwicklung darstellt.

Diese groben Pinselstriche mögen andeuten, dass das (Spannungs-)Verhältnis von Stadt und Welt, wie es eben auch der Segen Urbi et Orbi symbolisiert, die Entwicklung des Christentums jedenfalls in seiner katholischen Ausprägung durchzieht. In diesem Sinn deuten eben die ersten Marksteine des neuen Pontifikats darauf hin, dass Papst Franziskus dies aufzunehmen gewillt ist.

Dennoch besteht wohl kaum Anlass, in ebendieses Pontifikat allzu viel "Stadt“ und zu wenig "Welt“ hineinzugeheimsen. Denn eine Kirche, die ihre Berufung nicht wesentlich mit orbi, dem Erdkreis, identifiziert, verleugnet ihren Gründungsgedanken ebenso wie die Wirklichkeit der Welt von heute: Es wäre geradezu widersinnig, das Moment wie auch die Herausforderung der Globalisierung nicht als konstitutiv für eine Glaubensgemeinschaft anzusehen, deren Anhängerschaft bereits mehr als 1,2 Milliarden Menschen zählt.

Man hört dieser Tage Stimmen aus dem Kreis der Kardinäle, Jorge Mario Bergoglio sei nicht deswegen gekürt worden, weil er Lateinamerikaner wäre und nun der "katholischste“ Kontinent zum Zug kommen sollte, sondern weil er die richtige Person für diese Zeit sei. Wenn derartige Stimmen authentisch sind, dann widerspricht das keineswegs einer globalen Perspektive. Im Gegenteil: Wenn die Papstwähler der katholischen Kirche, die auch rein geografisch immer noch bei weitem kein Abbild der geografischen Verteilung der Christen über den Globus darstellen, sich nicht mehr um geo-grafische Traditionen gekümmert haben - kein Italiener, kein Europäer … - so ist allein durch diese Tatsache ein Sprung in Richtung einer globalen Kirche gelungen.

Sprung in Richtung einer globalen Kirche

Noch vor wenigen Wochen, anlässlich des Rücktritts Benedikts XVI., klagte die österreichische Ordensfrau Martha Zechmeister, die in El Salvador als Theologieprofessorin lehrt und arbeitet, über den grassierenden Eurozentrismus in der katholischen Kirche (FURCHE 7/2013). Gerade ein paar Wochen später, an diesem neuen Osterfest, sieht die Kirchenlage dank Franziskus, dem neuen Papst, anders aus. Wer hätte das vor wenigen Tagen so gedacht?

Dennoch erweist sich der jedenfalls rhetorische Rückgriff auf das urbi, also Bischof der Stadt Rom und nicht Bischof der ganzen Welt zu sein, auch als Reverenz einer globalen Realität gegenüber: Die Mehrheit der Menschheit lebt in der Stadt, und auch von daher müssen sich die Christen um die Stadt kümmern. In einem äußerst bedenkenswerten theologischen Sammelband über die Stadt legen die Herausgeber Michael Sievernich und Knut Wenzel ihrer Kirche den "Aufbruch in die Urbanität“ nahe (vgl. Buchtipp, Seite 11) und zitieren dabei einen Schlüsselsatz aus dem Abschlussdokument der lateinamerikanischen Bischofsversammlung, die 2007 im brasilianischen Aparecida stattfand: "Gott lebt in der Stadt.“ Einer der Masterminds hinter diesem Dokument war der damalige Erzbischof von Buenos Aires, Jorge Mario Bergoglio.

Ein neues Ostern für die Kirche könnte unter anderem auf diesen Entwicklungen fußen. Papst Franziskus wird in Rom aufs Neue den Segen Urbi et Orbi spenden. Man darf davon ausgehen, dass auch das altehrwürdige Ritual ob der heutige Herausforderungen eine neue Perspektive gewinnt.

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