Der Ignatius von Assisi

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Die Wahl von Jorge Mario Kardinal Bergoglio zum Nachfolger Benedikts XVI. darf man als Hoffnungszeichen in schwieriger Zeit lesen. Ein Perspektivenwechsel steht an, von dem auch Europa profitieren könnte.

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Die Wahl von Jorge Mario Kardinal Bergoglio zum Nachfolger Benedikts XVI. darf man als Hoffnungszeichen in schwieriger Zeit lesen. Ein Perspektivenwechsel steht an, von dem auch Europa profitieren könnte.

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Das war ein starker Auftakt: Ernst und freundlich stand er da auf der Benediktionsloggia des Petersdoms und winkte unprätentiös mit einer Hand hinunter zur jubelnden Menge; ein schlichtes "Buona sera" ("Guten Abend"), dann das Vaterunser für den Vorgänger, Benedikt XVI. Noch berührender war die Bitte um das Gebet für ihn selbst, den frisch erkorenen Bischof von Rom, wie er sich wohl bewusst bezeichnete: Tief verneigte sich Franziskus, bevor er, der Summus Pontifex (Oberste Brückenbauer), den apostolischen Segen "Urbi et orbi" spendete. Zum Schluss ein lächelnder Abschied - auf ein baldiges Wiedersehen, "buona notte e buon riposo!" ("gute Nacht und gute Ruhe!").

Das alles hatte nichts Wuchtiges, geschweige denn Triumphalistisches, ohne dass es deswegen form- oder stillos gewesen wäre. Demütig, bescheiden, doch seiner selbst sicher, in sich fromm ruhend: so präsentierte sich der neue Papst der Welt.

Der Stadt und dem Erdkreis

Urbi et orbi - der Stadt und dem Erdkreis, also der ganzen Welt, gilt der päpstliche Segen, der am Anfang jedes Pontifikats steht und der schon demnächst, am Ostersonntag, erneut gespendet werden wird. Bei dem Mann aus Südamerika hat dies einen besonderen, neuen Klang. Als vor acht Jahren Joseph Kardinal Ratzinger zu Benedikt XVI. avancierte, wurde an dieser Stelle versucht zu argumentieren, warum es gut sei, dass der neue Papst aus Europa komme: weil hier, im "alten", von Aufklärung und Säkularisierung geprägten Kontinent, die Nagelprobe für das Christentum liege; hier habe sich die Kompatibilität des christlichen Glaubens, katholischer Provenienz zumal, mit der Moderne zu erweisen. Benedikt hat dann dazu, wie schon zuvor als Theologe, Bischof und Kardinal, Wesentliches gesagt. Nun aber scheint die Zeit reif gewesen zu sein für eine zusätzliche, in einem neuen Sinn globale Perspektive.

Das heißt nun nicht, dass die europäische Herausforderung bewältigt wäre oder ad acta zu legen sei. Jorge Mario Bergoglio, Sohn italienischer Einwanderer nach Argentinien, ist wohl Europäer genug, um diese nicht aus dem Blick zu verlieren. Aber vielleicht tut es ja Europa gut, sich selbst ein wenig zu relativieren, will heißen: sich in Bezug zu setzen zu anderen Kontinenten, als Teil einer Weltgemeinschaft zu begreifen - gerade auch in kirchlich-religiösen Dingen.

Solcherart müsste Europa den Perspektivenwechsel nicht einfach nur hinnehmen, sondern könnte dadurch gewinnen. Wer ein paar Schritte zurücktritt, sieht mehr vom Ganzen - da verändern sich Proportionen und Prioritäten. Vor allem aber: wer loslässt, steht möglicherweise nachher wieder sicherer. Garantie gibt es keine - aber wer nur festhalten will, verliert am Ende immer.

Progressiv sei der neue Papst in sozialen Fragen, doch konservativ in gesellschaftspolitischen -so lauteten die ersten Zuschreibungen. Hier setzte sich fort, was schon rund um das Konklave bei den zahllosen Charakterisierungen der Kardinäle, die als Favoriten galten, zu registrieren war: eine entweder aus Ahnungslosigkeit oder ideologischer Intention gespeiste Instrumentalisierung gängiger Klischees.

Selbstverständliche Option für die Armen

Wer, wie es oft hieß, "gegen Home-Ehe und Abtreibung" sei, wurde als "konservativ " punziert - als sei es besonderer Erwähnung wert, dass ein katholischer Kirchenmann Abtreibung ablehnt und für eine Privilegierung der für Kinder offenen, auf lebenslange Dauer angelegten Ehe von Mann und Frau eintritt.

Umgekehrt sollte sich eigentlich von selbst verstehen, dass die Zuwendung der Kirche den Armen gelten muss. Die - letztlich politische - Frage ist nur, wie den Armen am besten geholfen wird. Dass diese Option für die Armen mit marxistischer Theorie und Praxis nicht kompatibel ist, haben bereits die beiden Vorgänger von Franziskus hinreichend deutlich gemacht. Man darf hoffen, dass auch der Papst aus Lateinamerika sich gegen Vereinnahmungen von sozialutopistischer oder -populistischer Seite entschieden verwahrt.

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