La soule/Ballsport - © Illustration: Wikipedia

Fußball: Ein Feld, ein Ball - und 22 Frauen

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In Australien und Neuseeland läuft derzeit die 9. Frauen-Fußballweltmeisterschaft. Das Event wird einmal mehr zum Spiegel der Gesellschaft. Eine Betrachtung.

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In Australien und Neuseeland läuft derzeit die 9. Frauen-Fußballweltmeisterschaft. Das Event wird einmal mehr zum Spiegel der Gesellschaft. Eine Betrachtung.

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Die USA gewannen 2019 die Fußball-Weltmeisterschaften und 2022 wurde der Champions League-Pokal an den FC Barcelona vergeben. Einige Fußball-Fans würden gegen diese Aussagen heftig protestieren – doch sie stimmen. Die US-amerikanische Frauen-Fußballmannschaft ist, im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen, ein klarer Favorit bei internationalen Turnieren und die Damen vom FC Barcelona stehen seit 2019 in jeder Finalrunde der UEFA Women‘s Champions League.

In den Köpfen vieler Menschen ist dieses Bild von Fußball immer noch ungewohnt. Das hat zuletzt auch eine Studie der Universität Zürich ergeben. Demnach herrschen in der Vorstellung von Qualität und Leistung überwiegend stereotype Denkmuster vor. Schneller, höher, weiter – das wird im Sport immer noch vor allem Männern zugeschrieben.

Das Potenzial zum Kriegsersatz

Dabei haben am Anfang Männer und Frauen gemeinsam einen Ball gekickt. Der Vorgänger des modernen Fußballs, das französische Spiel „la soule“, war im zwölften Jahrhundert bei beiden Geschlechtern verbreitet. Nach dem Ersten Weltkrieg haben Frauen im Vereinigten Königreich den Ballsport sogar dominiert, 1920 versammelten sich 52.000 Menschen um zwei Spitzenmannschaften beim Fußballspiel zuzuschauen – bis im Dezember 1921 Frauen die Benutzung von Stadien verboten wurde. Das Gesetz wurde erst gut fünfzig Jahre später aufgehoben. In Deutschland konnte der Frauenfußball erst nach dem Zweiten Weltkrieg Fuß fassen. Eine Frau, die einen Ball auf einem Feld kickt, passte davor nicht zu den nationalsozialistischen Ideologien, nach denen eine Frau vor allem Mutter zu sein hatte. Mitte des 20. Jahrhunderts, als Fußball sich langsam zur beliebtesten Sportart Europas entwickelte, mussten die Fußballerinnen von vorne beginnen.

Rund 70 Jahre später findet die neunte Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen in Australien und Neuseeland statt. Aus sportlicher Perspektive sind keine Unterschiede zu den Spielen der Männer erkennbar. Das Regelwerk ist dasselbe. In den USA ist Fußball regelrecht eine Frauensportart. Doch für den Rest der Welt stehen hier vor allem 22 Männer auf dem Feld.

In der Sportsoziologie wird das auch darauf zurückgeführt, dass Fußball lange Zeit als Kampfsport mit Potenzial zum Kriegsersatz galt. Zu Zeiten des Zweiten Weltkrieges wurde in Deutschland im Rahmen der militärischen Vorbereitung oft Fußball gespielt – die dahinterstehende Taktik und das Zusammenspiel sollte die jungen Soldaten auf den Krieg vorbereiten. Die dadurch entstandene Fußballtradition sieht daher nur männliche Spieler vor.

Seit der Österreichische Fußball-Bund (ÖFB) Frauenfußball im Jahr 1972 offiziell anerkannt hat, hat sich hierzulande allerdings einiges geändert. Die Anzahl weiblicher Mitglieder in österreichischen Vereinen steigt jährlich. Der Wiener Fußballclub „Paulaner Wieden“ etwa erlebt heuer eine Überraschung: Es gibt zum ersten Mal mehr Interessentinnen als Plätze für unter 12-Jährige. Nun gibt es eine Warteschlange. Clara Becker ist die Trainerin dieser Mannschaft und sieht eine klare Entwicklung. Laut ihr gibt es nicht nur immer mehr Mädchen, die Fußball in einem Verein ausprobieren wollen, sondern: „Auch im Erwachsenenbereich gibt es viele neue Spielerinnen“, sagt Becker. Viele von ihnen haben in der Kindheit und Jugend schon gespielt, einige probieren sich zum ersten Mal in der Sportart aus.

Keine Qualitätsunterschiede

Diese Entwicklung spiegelt einen Trend wider, den man nicht nur im Fußball sieht. Frauen stellen sich immer öfter gegen stereotype Verhaltensweisen, und zeigen, dass sie in den von Männern dominierten Bereichen mithalten können. Das bestätigt auch die Studie der Universität Zürich. Aus ihr geht hervor: Der Frauenfußball wird vom Publikum genauso gut bewertet wie der Männerfußball – solange den Zuschauer(inne)n das Geschlecht der Spieler unbekannt ist. Die fehlenden Popularität kickender Damen kann demnach auf veraltete Normen und patriarchalische Gesellschaftsstrukturen zurückgeführt werden.

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