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Im Kindergarten der japanischen Demokratie

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Wer kann in Japan die traditionelle Korruption brechen? Wird sich Japan aus dem Feudalismus lösen und zur echten Demokratie vorstoßen können?

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Wer kann in Japan die traditionelle Korruption brechen? Wird sich Japan aus dem Feudalismus lösen und zur echten Demokratie vorstoßen können?

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Die von Hosokawa gegründete New Party wird sich am 9. Dezember auflösen, wie am ersten und einzigen Parteitag, am 30. September, entschieden wurde, um in einer neu zu konstituierenden Sammelpartei aufzugehen, die alle nichtkommunistischen Oppositionsparteien umfassen will.

Ausgelöst wurde diese Neubesin- nüng ifl'der politischeh Landschaft Japans durch das bizarre Verhalten der Sozialisten, die sich um den Preis, daß ihr Präsident Murayama Premier wurde, als Steigbügelhalter erniedrigten für die Rückkehr der korrupten Banden, die unter dem klingenden Namen der LDP (liberaldemokratische Partei) während 38 Jahren Alleinherrschaft für ihr Wohl gesorgt hatten.

Ohne Rücksprache mit der Partei schlachtete der rote Premier diensteifrig die heiligen Kühe der Sozialisten, gab den Widerstand gegen den Sicherheitsvertrag mit den ÜSA auf, anerkannte die Legalität der Armee und ließ selbst Auslandseinsätze unter UNO-Kommando zu. Die FURCHE prophezeite schon beim Eintritt der Sozialisten in die Regierung, sie würden dadurch den Geist aufgeben im doppelten Sinn: ihre Prinzipien verleugnen und ihre Existenz aufs Spiel setzen.

Eine sozialistische Partei als Mehrheitsbeschaffer für den alten Erbfeind ist selbst für das geduldige Stimmvieh in Japan zuviel und verliert ihre Existenzberechtigung.

Hosokawa hatte mit der Gründung der New Party einen mutigen Schritt zur Reform des korrupten Parteiwesens gewagt und gewann bis zu 20 Prozent Zustimmung unter der Bevölkerung und auf dem Höhepunkt 42 Sitze im Parlament. Nach dem üblichen System der Finanzierung der Partei mußte er aber für seine Gefolgschaft sorgen und verwickelte sich deshalb in gewagte Finanztrans-aktionen, was zu seinem Rücktritt als Premier führte. An einer Veranstaltung im Wiener Rathaus anläßlich der 125-Jahrfeier zur Aufnahme der Beziehungen mit Japan erklärte Botschafter Kurokawa, Hosokawa hätte sich nicht selbst bereichert, sondern hätte das Geld an seine Gefolgschaft verteilt, was durchaus richtig ist. Aus diesem Teufelskreis gibt es keinen Ausweg, solange die Politik in Japan für einen Kandidaten mehr kostet als sie legal einbringt.

Zwar regeln strenge Gesetze die Finanzierung, aber hinter vorgehaltener Hand kann man immer wieder hören, daß auf dem Land „Broker“ die Stimmen eines Dorfes an den Meistbietenden verschachern.

Nacheinander scheiterten die Premiers Kaifu, Hosokawa und Hata an den Versuchen zur Wahlreform. Der Schwachpunkt waren immer die Sozialisten, denn ohne sie konnte man keine Mehrheit im Parlament finden, mit ihnen aber keine vernünftige Politik in die Wege leiten.

Wenn Franz Werfel Demokratie beschrieb als Korruption der einen Partei, gebrochen durch die Korruption der anderen Parteien, schufen die Sozialisten eine neue Möglichkeit: Korruption der einen Partei unterstützt durch die Korruption der anderen Partei.

Nachdem die Dinge ihre Schlimmstmögliche Wendung genommen hatten, scheint sich heute aber ein Ausweg aus dem totalen Chaos zu eröffnen, was Japan, das angeblich schon 1868 mit der Meiji- Reform den Weg zur Modernisierung und zur Demokratie eingeschlagen hat, endlich ermöglichen würde, wenigstens auf Kindergartenstufe sich in demokratische Prozesse einzuschulen.

Es zeichnet sich die Entwicklung zur Bildung eines Zweiparteiensystems ab, in dem sich sowohl die LDP als auch die Sozialisten auflösen würden in neue Gruppen, die entweder an der Erhaltung des alten Systems interessiert wären, oder den Mut zur Reform vertreten würden, was Japan endlich aus seinen veralteten Strukturen des Feudalismus lösen würde und die Entwicklung eines freien Marktes und echten Rechtsstaates ermöglichte.

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