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Wieder Koalition?
Die Koalition von politischen Parteien, sei es bei Wahlen, im Parlament oder zum Zweck gemeinsamen Regie-rens, entspricht der Natur einer demokratischen Ordnung. Wenn eine Koalition zum Zweck einheitlichen Regie-rens eingegangen wird, liegen dem gemeinsamen Handeln stets Vereinbarungen zugrunde, die erst ein Kooperieren von einander widersprechenden Gruppen möglich machen. Ob eine solche Vereinbarung Pakt oder Vertrag heißt oder überhaupt keinen offiziellen Titel hat, ist unwesentlich. Das geradezu naive und bei manchen sogar echte Erstaunen über den österreichischen Koalitionspakt von Volkspartei und Sozialisten ist jedenfalls ungerechtfertigt und läßt jede Kenntnis der politischen Geschichte, auch der vorparlamentarischen, vermissen.
Die österreichische Regierungskoalition, welche die Politik der Zweiten Republik eindeutig zu normieren vermochte, ist durch mehrere Merkma'fe bestimmt, welche sie auch auf internationaler Ebene auszeichnen:
Es gibt so gut wie keine wirksame Opposition im Parlament, die im Rahmen des Vollzuges der Regierungspolitik beachtet werden müßte. Diese Tatsache verleiht den Parteien der Regierungskoalition eine außerordentlich große Machtfülle.
Die Regierungsparteien haben aus ihrer Mitte ein Führungsgremium, den Koalitionsausschuß, gebildet, der die Eigenschaft eines „Rates der Fürsten“, eines Staatsrates hat, wenn nicht eines Direktoriums im Sinn der gremialen Führung während des Ablaufes der Französischen Revolution. Jedenfalls ist es der Koalitionsausschuß, der die Regierung bestellt und ein letztinstanzliches Schiedsrichterkollegium bei wesentlichen Kontroversen darstellt. Nun hat es aber Führungsgruppen wie den Koalitionsausschuß stets gegeben. Das Eigenartige ist die förmliche Errichtung eines solchen Ausschusses und sein besonderer Rang.
Die beiden Regierungsparteien sind sowohl in ihrer Programmatik wie in ihrer tatsächlichen inneren Stärke uneinheitlich. Um eine Majorisierung der einen Partei durch die andere zu verhindern, haben sich die beiden Parteien der Koalition entschlossen, ihre Einflußmacht auf die Verwaltung der öffentlichen Angelegenheiten von den obersten Führungsgremien bis zur letzt-rangigen Verwaltungsstelle geradezu institutionell zu egalisieren (Proporz). Nun ist die Egalisierung der Einflußmacht nicht jeweils in allen Verwaltungsgremien realisiert, sondern derart durchgesetzt, daß es Regionen gibt, in denen die ÖVP eine Vormacht hat und solche mit einem Vorrang der SPÖ. Insgesamt soll — abstrakt verstanden — die Einflußmacht der beiden Parteien, soweit sie gegeneinander wirksam sein könnte, durch Macht und Gegenmacht geradezu aufgehoben werden. Es gibt aus diesem Grund formell keine führende und keine geführte Partei, wenn auch die Volkspartei im Interesse der Selbständigen gewisse Verwaltungsregionen und Ministerien beansprucht, die kaum einen politischen Einfluß haben, wie etwa das Finanzministerium. Da Macht aber auf lange Dauer nicht teilbar ist, haben sich in Österreich zwei Machtbereiche herausgebildet, die je für sich unabhängig sind, wobei offenkundig jener Bereich, der unter dem Einfluß der ÖVP steht, kleiner ist als der SPÖ-Bereich. Man vergleiche einmal die politische Einflußmacht des Handelsministeriums und jene des Verkehrsministeriums.
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