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Aus Granit und Wald
Wo hügeliger Waldboden sich über Urgebirge breitet, wo Granitboden bis in die Ackererde reicht und mächtige, gespenstisch anmutende Felsblöcke im Wald herumliegen, dort ist Österreichs fast vergessenes Land: das Waldviertel.
Auf einem Granitplateau, dem südlichsten Teil der Böhmischen Masse liegend, grenzt es im Süden an die Wachau, im Osten dehnt es sich über das Kamptal und im Westen hat es sogar Anteil an Oberösterreich, dort Mühlviertel genannt. Seinen Namen gab ihm der Wald; schon seit dem 11. Jahrhundert heißt dieses Gebiet Nordwald oder Silva nortica. Rauh wie im böhmisch-mährischen Bergland ist hier das Klima; dazu kommen frühe schneereiche Winter und stürmische Sommergewitter.
In von Fichtenwäldern bedeckten Bodenwellen liegt das Gebirgsland; dazwischen weite Hafer- und Roggenfelder, blauer Flachs, roter Mohn und tiefgrüne Wiesen. Oft bricht plötzlich das Land ab, wobei gewaltige Felsmassen zum Vorschein kommen, die uns das Rätsel der zerstreuten Steine erklären. Die braunen Wasser der Krems, des Kamps und der Thaya umfließen in unzähligen Schlingen den harten Urstein. Im Norden des Landes zwischen Waidhofen, Gmünd und Litschau glänzen hie und da kleine Wiesen- und Waldseen, künstliche Stauseen am oberen Kamp sind in den letzten Jahren dazugekommen. Hochmoore mit eigenartigen Pflanzen und Tierarten kommen im nordwestlichen Teil des Waldviertels vor.
Schon im zwölften Jahrhundert begannen Mönche aus Passau und Regensburg mit dem Kolonisieren des Urwaldes. Einige Klöster und Stifte sind bis heute erhalten geblieben (Zwettl, Geras, Altenburg), andere wurden aufgelassen (Pernegg, Schönbach) und manche im Laufe der Jahrhunderte zerstört (Alt-Melon, St. Bernhard). Zahlreiche Burgen und Schlösser, von denen noch über 300, darunter viele Ruinen, hier zu finden sind, um die sich Sagen ranken, die zu den,
noch an heidnische Kulte erinnernden Namen der gewaltigen Blocksteine, wie Teufelsbett, Wotanfelsen, Teufelsmauer, Hundstein, Steinernes Weib, Teufels Brotleib, Pferdeopfer-stein, passen.
Weit voneinander entfernt liegen in diesem weiten Land die verträumten Ortschaften und romantischen Burgen. Das Waldviertier Dorf mit seinen Gruppen- und Dreiseithöfen, entwickelte sich aus dem Haufenhof zum Straßendorf und Angerdorf.
Die Märkte entstanden zumeist im 13. Jahrhundert aus früheren Dorfanlagen an verkehrstechnisch günstigen Plätzen. Die Städte erwuchsen als Burgstädte aus Marktplätzen im Schutze von Burgen (Weitra, Drosendorf, Waidhofen an der Thaya, Gmünd, Eggenburg). Von der einst hier blühenden Holzbaukunst sind nur wenige Reste erhalten geblieben, so in den charakteristischen Glockentürmen in der Umgebung von Waidhofen an der Thaya und einigen Balkendecken der Bürgerhäuser (Weitra). Nördlich von Freistadt fand man bei Ausgrabungen im Jahre 1957 verkohlte Reste einer zweischiffigen Holzkirche aus dem elften Jahrhundert, die einen Umgang und eine Vorlaube besaß.
Berühmt sind, oder vielmehr waren, die Waldviertier Holzwaren: Küchengeräte, Spielwaren und die Waldviertier Uhren.
Das Waldviertel, fast bis in unsere Zeit ein vergessenes Land, war und ist nur von einigen, wenig frequentierten Straßen durchzogen. Vielleicht deshalb legte man hier 1938 den Truppenübungsplatz Döllersheim an, dem mehrere Ortschaften weichen mußten; heute gibt es hier nur noch Ruinen vom Gestrüpp überwuchert.
Dieses, durch seine Ursprünglichkeit, Anspruchslosigkeit und herbe Schönheit noch unentdeckte Waldviertel mit seinen kaum bekannten Natur- und Kunstdenkmälern beginnt in unserer hektischen Zeit mehr und mehr an Wert zu gewinnen ...
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