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In Nordeuropa dürfen auch die Ausländer wählen

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Als am 7. März in Dänemark die Kommunalwahlen stattfanden, umfaßten die Wahllisten auch ausländische Namen. Den Bürgern Schwedens, Norwegens, Finnlands und Islands, die mindestens drei Jahre lang in Dänemark gelebt haben, steht das aktive und passive Wahlrecht auf Kommunalebene zu. Mit eigenen Broschüren wurden die Wahlberechtigten aus den nordischen Ländern auf ihr Recht aufmerksam gemacht. Für die Adressen sorgte jener Computer, in dem die Daten aller gespeichert sind, die ihren Wohnsitz in Dänemark haben.

In Dänemark ist das Ausländerwahlrecht derzeit noch auf die Bürger der nordischen Bruderländer beschränkt, eine EG-Kommission berät derzeit, ob die gleiche Regelung nicht auch in den Ländern der Europäischen Gemeinschaft gelten sollte. Es wäre der zweite Schritt für Dänemark, dem dann wohl auch der dritte - der des Wahlrechts für alle Ausländer - folgen würde. Schweden ist bereits soweit. Dort haben im Herbst 1976 die schwedischen Staatsbürger ihren Reichstag gewählt; parallel dazu aber Schweden und Ausländer die kommunalen Organe, und zwar alle Ausländer, die seit drei Jahren im Lande waren, ungeachtet ihres Herkunftslandes.

Es war eigentlich eine finnische Initiative, die zum Ausländerwahlrecht führte. Grund dafür waren die 300.000 Finnen, die in Schweden leben, und denen man die Mitverantwortung und die Mitbestimmung im Nahbereich ermöglichen wollte. Der „Nordische Rat“ folgte schließlich dem finnischen Antrag; die nordischen Länder räumten ihren Bürgern gegenseitig das Wahlrecht ein. 1976 konnten sie erstmals in Finnland und Schweden davon Gebrauch machen; nun ist Dänemark gefolgt. Im nächsten Jahr sind die norwegischen Kommunalwahlen der vierte Schritt. Nur auf Island hat sich die Verwirklichung der Idee noch verzögert.

Schweden, das wie gesagt die Wahlurnen auch für nicht-nordische Bürger geöffnet hat, dachte sogar noch weiter. Die sozialdemokratische Opposition stellte den Antrag, auch die Reichstagswahlen für Ausländer zugänglich zu machen. (Wohl nicht ganz ohne eigennützige Hintergedanken: Ausländerstimmen sind zum Großteil Arbeiterstimmen und somit meist „links“.) Die bürgerliche Regierung lehnte den Antrag freilich ab.

In Schweden und Finnland gilt das „Ausländerwahlrecht“ auch in anderer Bedeutung: nämlich für jene, die zwar Staatsbürger dieser Länder geblieben sind, aber jetzt im Ausland leben. Bei den finnischen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen dürfen alle Finnen stimmen, egal, wo sie wohnen; bei den schwedischen Reichstagswahlen nach einem neuen Gesetz nun auch jene, die länger als sieben Jahre ununterbrochen fern der Heimat gewesen sind. Sie waren nach der alten Regelung ausgeschlossen gewesen. Es sind allerdings nur recht wenige, die von diesem Recht Gebrauch machen. Bei den Präsidentschaftswahlen in Finnland gaben im benachbarten Schweden - trotz intensiver Wahlwerbung unter den 200.000 Wahlberechtigten -keine 12 Prozent ihre Stimme ab. Insgesamt wählten nur 8 Prozent der Auslandsfinnen. Auf der finnischen Botschaft in Kopenhagen etwa erschienen nur 30 der 2000 Wahlberechtigten.

Dänemark und Norwegen kennerj das Ausländerwahlrecht nur sehr eingeschränkt. In Norwegen dürfen nur jene stimmen, die in offiziellem Auftrag im Ausland sind; Botschaftsangehörige zum Beispiel. Dänemark funktioniert seine Konsulate und Botschaften zu Wahllokalen um, aber nur für jene, die keinen festen Wohnsitz im Ausland haben.

Die nordischen Bürger, die wählen und gewählt werden dürfen(die Christliche Volkspartei etwa stellte in der Stadt Nyborg eine Schwedin als Spitzenkandidatin), waren übrigens nicht das einzige Bemerkenswerte bei den dänischen Kommunalwahlen vom 7. März. Auffallend war die äußerst große Anzahl von Wahllisten, die außerhalb der politischen Parteien stehen. Auch wenn kaum eine von ihnen eine Chance hatte, genügend Stimmen für ein Mandat zu gewinnen, so signalisieren sie doch eine wachsende Unzufriedenheit mit den traditionellen politischen Kräften. Sie haben sich meistens nur einem ganz bestimmten Programmpunkt verschrieben. Dänemarks Innenminister hat sie sehr abwertend „Egoismusdemokraten“ genannt. In Kopenhagens Zentrum stellten sich nicht weniger als 15 dieser Listen den Wählern; zusätzlich zu den elf Parteien, die es in Dänemark gibt. Die „Frauenliste“ war schon bisher im Rathaus vertreten. Die anderen hatten von vornherein keine Chance, aber sie sorgten dafür, daß der Wahlzettel einen Umfang von mehr als einem Quadratmeter bekam: die Vegetarier und die Tierfreunde, die Homosexuellen und die Christianialiste, die Pensionistenpartei und jene Gruppe, die sich „Kinderlist“ nennt...

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