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Viele Sorgen für Suomi

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Es ist unbestreitbar, daß sich Finnland aus dem Wellental einer schweren Niederlage heraus in den letzten Jahren unerwartet rasch zu einem politisch freien und wirtschaftlich gefestigten Staatswesen entwickelt hat. Gewiß, es gibt in beiden Bereichen schwache Stellen, doch welches Land besitzt nicht solche?

Doch es gibt Sonderprobleme, die sich aus der geographischen Lage des Landes zwischen den großen Militärblöcken ergeben;' man kann sie ebensowenig übersehen wie die wirtschaftlichen Fortschritte, und es sind dies Probleme oft sehr heikler Art, die mit viel Vorsicht, Fingerspitzengefühl und Rücksichtnahme auf die Wünsche und Interessen anderer Länder gelöst werden müssen.

Die Amtsperiode des jetzigen Präsidenten, Dr. Urho Kekkor.en, läuft im Jahre 1968 ab. Jedoch schon seit den Tagen der letzten Regierungsbildung — im April und Mai 1966 — spielt in den politischen Spekulationen die kommende Präsidentenwahl eine große Rolle. Es gibt Beobachter, die hartnäckig behaupten, daß die Regierung Paasio ohne weitgehende Zusagen der Sozialdemokraten an die Agrarpartei (und über diese an den Kreml!) niemals hätte gebildet werden können. Ob es wirklich so zugegangen ist, konnte bis jetzt niemand beweisen, manches, was in den letzten Wochen geschehen ist, könnte jedoch eine in dieser Richtung gehende Auffassung stärken.

In normalen Fällen wird der Präsident von einer Versammlung von 300 Elektoren gewählt, die in einer direkten Volkswahl auserkoren worden sind. Dadurch soll die Unabhängigkeit des Staatspräsidenten und seine Stellung über den Parteien hervorgehoben werden. Zu Beginn dieses Wahlsystems setzten sich sogar starke Rechtskreise dafür ein, daß Parlamentarier nicht zu Elektoren gewählt werden dürfen. Auch Diskussionen im Plenum der Elek-torenversammlung sind heute noch untersagt; um so mehr wird deshalb außerhalb des Plenarsaales diskutiert. Ergibt die erste Abstimmung keine Mehrheit, wird eine zweite unter gleichen Bedingungen vorgenommen. Erreicht man auch dann noch' kein Resultat, dann werden die Elektoren in der dritten Abstimmung dazu angehalten für einen jener zwei Kandidaten zu stimmen, die die höchste Stimmenanzahl erhalten haben. Tagelange ermüdende und entwürdigende Abstimmungskämpfe, wie sie etwa bei der Wahl Saragats in Rom vorkamen, sind also in Finnland ausgeschlossen.

Der Staatspräsident hat in Finnland eine sehr starke Stellung: Er wählt, gemeinsam mit der Regierung, jene Gesetzentwürfe aus, die dem Parlament zugeleitet werden sollen, er hat das Vetorecht gegenüber vom Reichstag angenommenen Gesetzen, er kann verhängte Strafen aufheben oder mildern, er hat das Recht, wichtige Staatsposten zu vergeben (Botschafter, Landeshauptleute, Bischöfe, Direktoren der Bank Finnlands usw.), er ernennt und befördert die höheren Offiziere in der Wehrmacht, und er kann Verhandlungen mit fremden Mächten in einem weit höheren Grad führen als das in anderen Ländern dem Staatsoberhaupt möglich ist.

Diese von vornherein starke Stellung hat der jetzige Präsident durch eine geschickte und initiativreiche Politik noch verstärkt. Man denke hier nur an die bedeutungsvolle Rolle des Präsidenten bei de Lösung der sogenannten „Nachtfrostperiode“ im Verhältnis zur Sowjetunion im Jahre 1958. Der Sozialdemokrat Fagerholm hatte Ende August 1958 eine große Koalition gebildet, unter Einschluß der Rechtsradikalen — die seit 1944 in keiner Regierung mehr vertreten gewesen waren —, doch unter Ausschluß der Volksdemokraten, die eben einen beachtlichen Wahlerfolg erzielt hatten. Die Sowjets zogen ihren Botschafter zurück, stellten ihre Zahlungen ein und stoppten alle weiteren Einfuhren aus Finnland. Die Hereinnahme der Konservativen und der Sozialdemokraten unter Tanner und Leskinen wurde von Moskau als ein äußerst unfreundlicher Akt betrachtet. Erst nach einem Treffen Kekkonens mit Chruschtschow in Leningrad konnten wieder einigermaßen normale Verhältnisse hergestellt werden.

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