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Flaue Wahlen in Spanien

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Zum erstenmal seit 31 Jahren gestattete es das spanische Regime einem Teil seiner Bürger, seine Vertreter direkt ins Parlament zu wählen. 108 Parlamentsabgeordnete wurden von den Familienvätern und verheirateten Frauen am 10. Oktober erkoren. Sechzehn Millionen Spanier — gut die Hälfte der Gesamtbevölkerung — durften zu den Urnen gehen, um aus den 316 aufgestellten Kandidaten je zwei für jede Provinz zu wählen, das heißt also, 18 Prozent der gesamten Parla-mentsafageordneten.

Wenn von diesem als „demokratische Errungenschaft“ bezeichneten Recht, das den Spaniern mit der im Jänner dieses Jahres in Kraft getretenen neuen Verfassung beschert wurde, nur durchschnittlich 64 Prozent Gebrauch machten — in den baskischen Provinzen Viscaya und Guipuscoa waren es gar nur 38 bzw. 36 Prozent, in Navarra 39 Prozent —, so ist dies einerseits auf die Gleichgültigkeit der Spanier und andererseits auf die kaum sichtbare und äußerst flaue Wahlkampagne zurück, zuführen

Leicht- und schwergemacht

Den Kandidaten wurde weder ihre Aufstellung noch die Kampagne selbst leichtgemacht. Zu ihrer Aufstellung benötigten sie entweder zweitausend Wählerunterschriften oder die Garantie von fünf Parlamentsabgeordneten. Für die Wählkampagne selbst mußte der Kandidat — insofern er von allen ihm erlaubten Mitteln Gebrauch machen wollte — nach den Berechnungen eines Barceloneser Unternehmers über 22 Millionen Pesetas aufbringen.

Die Mittelklasse, insofern sie nicht von einer Pressionsgruppe gestützt wurde, war also schon von vornherein von der Kandidatenliste gestrichen. So kam es, daß die Kandidaten mit Ausnahme einiger Kapitalisten, denen ihre eigenen Mittel Unabhängigkeit erlaubten, von der Staatspartei Falange, den sogenannten Christ-

demokraten um den ehemaligen Franco-Außenminister Martin Artajo und den juanistischen Monarchisten lanciert wurden. In allen Fällen jedoch waren es Kandidaten, die politisch innerhalb des Regimes stehen und zum Teil hohe Posten in ihm bekleiden. Außer diesen Merkmalen wiesen sie großen Kinderreichtum und Programme auf, die sich ausschließlich auf interne Probleme bezogen. Die meisten von ihnen versprachen ihren Wählern eine Forcierung des Wohnungsbaues, Verbesserung und Erweiterung des Erzie-hungssystems Preisstopp, mehr soziale Gerechtigkeit usw. Wer sich außerhalb dieser Linie befand, zog eine Kandidatur zurück. Kein Wunder also, daß nach dieser offensichtlichen Siebung die Kandidatenzahl reichlich spärlich ausfiel. Die Spitze bildete Madrid mit zwölf Kandida-

ten. Malagas Stimmberechtigte hatten überhaupt keine Auswahl. Es waren nur zwei Kandidaten übriggeblieben.

Auch die Bürger der spanischafrikanischen Besitzungen durften wählen: Je einen Abgeordneten für Ceuta und Melilla. In der spanischen Enklave Sidi Ifni, die sich auf marokkanischem Gebiet befindet, fielen die Wahlen aus. Die augenfälligste Erklärung hierfür ist, daß Marokkos Außenminister, Dr. Achmed Laraki, bei seinen neuesten Unterredungen mit seinem spanischen Kollegen Castiella die baldige Rückgabe des Territoriums zugesagt bekommen hat.

Kühle Temperatur...

Die Wahlkampagne selbst verlief in den meisten Städten weitaus gemäßigter als etwa ein Propaganda-feldzuig für ein Waschmittel. In der gleichen kühlen Temperatur verlief denn auch der Wahltag selbst. Die Wählerschlangen, die sich bei dem im Dezember des Vorjahres abgehaltenen Referendum über Spaniens Verfassung vor den Wahllokalen stauten, waren nirgends mehr anzutreffen. Höchstens kleine Wählergruppen, denen die Kandidaten meist gleichgültig waren.

Ein neues politisches Gesicht wird Spanien durch diese Wahlen keinesfalls bekommen. Höchstens einen schüchternen demokratischen Ausdruck, der sich bei der kommenden Sitzungsperiode des neuen Parlaments erst wird festigen müsse.

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