Mord in Brasilien: Die Herren des Untergangs
Die Ermordung von Dom Phillips und Bruno Pereira im brasilianischen Amazonas-Gebiet steht beispielhaft für eine Gesellschaft, in der Opposition immer rabiater bekämpft wird.
Die Ermordung von Dom Phillips und Bruno Pereira im brasilianischen Amazonas-Gebiet steht beispielhaft für eine Gesellschaft, in der Opposition immer rabiater bekämpft wird.
„Ein Abenteuer, das für niemanden empfehlenswert ist“, so nannte der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro die Bootsreise von Bruno Araujo Pereira und Dom Phillips in einen abgelegen Teil des Amazonasgebiets. Zu jenem Zeitpunkt, Anfang Juni, galten der Wissenschaftler und Aktivist für die Rechte indigener Völker und der britische Journalist, der unter anderem für The Guardian schrieb, als vermisst. Erst eine Woche später würde man ihre Leichen im dichten Regenwald finden.
Konkret bezog sich Bolsonaro auf die Umstände der Forschungsreise, die er so beschrieb: „ ... zwei Leute in nur einem Boot, in dieser Art von Region, absolut wild“. Im übertragenen Sinn ist diese Bemerkung, die im Anzeichen des damals schon weithin befürchteten Verbrechens geradezu zynisch war, eine Warnung an Bürgerrechtler, Organisationen der Zivilgesellschaft und kritische Journalisten: auch ihre Tätigkeiten sind im Brasilien des Jair Bolsonaro eigentlich niemandem zu empfehlen.
Dramatischer Verfall
Dom Phillips, 57, seit anderthalb Jahrzehnten Korrespondent in Brasilien und damit Zeuge des dramatischen Verfalls seiner demokratischen Gesellschaft, hatte sich zuletzt zunehmend mit dem bedrohten Amazonas-Gebiet beschäftigt und arbeitete an einem Buch zum Thema. Bei der Rettung des Regenwalds, so war er überzeugt, könnten Indigene eine Schlüsselrolle spielen. Darum begleitete er Pereira, 41, ins abgelegene Javari-Tal nahe der peruanischen Grenze. Er wollte sehen, wie indigenes Territorium gegen Eindringlinge verteidigt wird.
Die in der Region lebenden indigenen Gemeinschaften werden in den letzten Jahren zunehmend von Landraub und Konflikten mit illegalen Fischern und Holzfällern, Goldminenbau und Drogenhandel bedroht. Bewohner des Regenwalds, die sich für den Erhalt ihrer Lebensgrundlage einsetzen, sind permanent in Gefahr. Brasilien zählt zu den Ländern mit den meisten Morden an indigenen Umweltaktivisten. Selbst Posten der Indigenen-Behörde FUNAI, für die Bruno Pereira einst vor Ort tätig war und unter anderem gegen illegale Goldminen vorging, wurden schon beschossen. All dies geschieht in einem Klima weitgehender Straffreiheit.
Die politische Dimension der Ermordung Pereiras und Phillips wurde deutlich, als Mitte Juni, wenige Tage bevor ihre Leichen gefunden wurden, Indigene im Amazonas-Städtchen Atalai do Norte demonstrierten. Auf Plakaten tauchte nicht nur die Frage auf „Wer tötete Bruno und Dom?“, sondern sie prangerten auch die verstärkten Angriffe auf die Natur an, seit der rechtsextreme Bolsonaro Anfang 2019 sein Präsidentenamt antrat. „Wir sind die Verteidiger unseres Waldes“ stand auf einem Banner.
Unter Bolsonaro wurde der Landerwerb für Kleinbauern im Amazonas-Gebiet vereinfacht und Goldgewinnung per Dekret gefördert – im Namen der Entwicklung des abgelegenen Gebiets. Er kürzte die Mittel der FUNAI und agitierte bereits im Wahlkampf 2018 gegen die Markierung von indigenen Territorien, die dieser Entwicklung vermeintlich im Weg stehen. In der trotzigen Parole „Amazonia é nossa“ („Der Amazonas gehört uns“) liegt ein absoluter Machtanspruch, und die Ankündigung, sich in der Frage, wie man mit der riesigen Urwaldregion verfährt, von niemandem hereinpfuschen zu lassen – weder von Indigenen noch NGOs, Umweltschützern, Medien oder Gringos.
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