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Wien versteinert

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Seit Jahrzehnten predigen die Stadtplaner gegen die „Versteinerung der Großstädte“. Viele Stadtplaner sind auch gegen den Bau von Hochhäusern, weil sie Fremdkörper in alten gewachsenen Stadtbildern und vor allem Verkehrserreger darstellen.

Und was erreichen sie?

Trotz vieler Proteste wurde auf einem Teil der Gartenbaugründe ein Hochhaus errichtet, bei dessen Planung so ziemlich alle städtebaulichen

Prinzipien, Gesetze und Verordnungen mißachtet wurden. Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, daß auch der Rest des Geländes, das seinerzeit bei Erbauung der Ringstraße ausdrücklich für Gartenbauzwecke gewidmet wurde, bis auf eine schmale Gasse, die auf das Koburgpalais zuführt, verbaut sein wird. Auf dem Gartenbaugelände hätte eine Sehenswürdigkeit entstehen können, ein Blumenmarkt und ein wirkliches „Cafe Bastei“, das einen Anziehungspunkt für die Fremden gebildet und eine Vergrößerung des Luftreservoirs „Stadtpark“ gebildet hätte. Die geplante Demolierung des Kursalons im Stadtpark konnte zwar verhindert werden, dafür haben die'' Bauspekulanten den Bau eines Riesenhotels auf dem Gelände des Wiener Eislauf-Vereines, gegenüber dem Stadtpark, durchgesetzt, wodurch die einzige im Stadtgebiet befindliche Sport-und Erholungsfläche erheblich verkleinert wird. Auch die Verbindung vom Stadtpark zum Modenapark, welcher bis auf einen bedeutungslosen Rest in den letzten Jahren verbaut wurde, ist durch das vor einigen Jahren errichtete mehrgeschossige „Haus des Handwerks“ abgeriegelt und dabei das städtebauliche Konzept der ineinander übergehenden Grünzonen zerstört worden. Beiderseits der Station „Hauptzollamt“ (jetzt Station „Landstraße“ der Schnellbahn), wo der Blick noch vor ganz kurzer Zeit frei nach beiden Seiten der Brücke schweifen konnte, sind zwei große, mehrstöckige Warenhäuser errichtet worden, von denen das eine besonders unschön in der Silhouette wirkt. Dabei wurde ein Dutzend Alleebäume, die erst nach 1945 am Beginn der Landstraßer Hauptstraße neu gesetzt wurden, ohne zwingende Notwendigkeit beseitigt, weil man längs der Front der Großmarkthalle Geschäftsläden errichtete. Eine Straßenschlucht mit allen ihren Nachteilen ist jetzt dort entstanden. An Stelle des leider kürzlich demolierten hübschen Bürgertheaters wird eben an der Erbauung eines Hochhauses für ein Bürogebäude der Zenrralsparkasse der Gemeinde Wien gearbeitet, und im Garten der Kunstgewerbeschule ist ein

gtpJJer, Teil „des, Gartengelandes und mehrere alte Bäume zum Opfer fielen.

Wenn man gar nicht so alte Ansichten Wiens, auf denen eine breite Grünzone, die sich beiderseits der Wien vom Karlsplatz bis zum Donaukanal hinzog, betrachtet, so muß man feststellen: gegen alle städtebaulichen Prinzipien, eine ungeheure „Versteinerung“ des Stadtparkgeländes, Schaffung von eminenten Verkehrserregern, Verlust von Grünland und Bäumen, Einengung des freien Blicks vom Stadtpark aus auf den Stephansdom, Verschlechterung der Luft, Vergrößerung der Lärmplage!

In fast allen Fällen hat die Bevölkerung protestiert, die Vorschläge des Denkmalamtes wurden nicht beachtet: Die Bauspekulation ist mächtiger.

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