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Mut zur Weltstadt...

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Wien schickt sich an, eines der städtebaulich wichtigsten Projekte der letzten Jahre in Angriff zu nehmen: die verkehrstechnische und hauliche Neugestaltung des Landstraßer Bahnhofviertels, also einer Schlüsselzone für den Verkehr zwischen der City und dem Landstraßer Raum. Und diesem Projekt kommt so eminente Bedeutung zu, weil hier — wie nur an wenigen Stellen der Stadt — gemeinsam mit der Errichtung eines Monsterhotels des Hilton-Konzerns auch gleich ein riesiges Bürohaus und die Verwirklichung einer großräumigen Fußgängerzone geplant ist, die sich unter Einbeziehung des Stadtparks zwischen der Wollzeile und der Invalidenstraße erstrecken soll.

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Wien schickt sich an, eines der städtebaulich wichtigsten Projekte der letzten Jahre in Angriff zu nehmen: die verkehrstechnische und hauliche Neugestaltung des Landstraßer Bahnhofviertels, also einer Schlüsselzone für den Verkehr zwischen der City und dem Landstraßer Raum. Und diesem Projekt kommt so eminente Bedeutung zu, weil hier — wie nur an wenigen Stellen der Stadt — gemeinsam mit der Errichtung eines Monsterhotels des Hilton-Konzerns auch gleich ein riesiges Bürohaus und die Verwirklichung einer großräumigen Fußgängerzone geplant ist, die sich unter Einbeziehung des Stadtparks zwischen der Wollzeile und der Invalidenstraße erstrecken soll.

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Soeben werden die alten Markthallen abgebrochen. Der Hilton-Bau, ein Gegenpol zum „Intercontinen-tal“, der Bürokomplex und die voraussichtlich überlebenden Teile des AEZ sind im Aussehen bereits geklärt. Aber die U-Bahnlinie 3, der Umbau der Stadtbahn zur U 4 und der Ausbau der Schnellbahn sind noch im Planungsstadium, die Füh-rung der Bundesstraße 1 neben, unter oder über dem Wientalbecken überhaupt erst im Bereich der Diskussion, die Gestaltung der Fußgeherzone schließlich erst im beiläufigen Gespräch. Es ist also noch mehr oder minder alles offen, ob aus dieser Großbaustelle dereinst, etwa in zehn Jahren, ein weltstädtisch modernes, funktionsgerechtes Fußgeher- und Verkehrszentrum geworden sein wird. Oder ob man dem neuen Viertel aus Sparsamkeit am falschen Fleck das Gepräge einer häßlichen Betonwüste gegeben haben wird, die wegen ihres Verkehrslärms, der Abgase und des bis dahin stark angestiegenen Massenverkehrs ein am liebsten gemiedener Stadtteil, also wieder ein Stück „totes Wien“, sein wird.

Nun hat vor kurzem der Wiener Architekt und Professor für Städtebau in Düsseldorf, Hans Hollein, mit seinem Stab eine Reihe von Modellen erarbeitet, die — als Studie zusammengefaßt — aufzeigen, welche Gestaltungsmöglichkeiten überhaupt für das Projekt „Landstraße“ in Frage kommen. Hollein, der sich bereits vor Jahren in den USA mit Stadtsanierungs- und Rationalisierungsproblemen beschäftigt hat und der auch schon mit seiner Musterlösung für die Neugestaltung des Rathausplatzes Aufsehen erregte, hat als Ausgangspunkt und Voraussetzung für alle Überlegungen zwei ausschlaggebende Faktoren berücksichtigt: daß eine Fußgeherzone zwischen Innenstadt und der grünen Oase rund ums neue Hilton-Hotel eine unumgängliche Notwendigkeit werden wird und daß zugleich an der Kreuzungsstelle „Landstraßer Bahnhof“ durch die Überschneidung von U 3, U 4 und Schnellbahn, durch Flughafenzubringerdienst, Autobusstation usw. bis in die Mitte der achtziger Jahre ein Verkehrsknoten, eine Art Zentralbahnhof entstanden sein wird, bei dem man schon heute für die Stoßzeiten mit rund 23.000 „Umsteigern“ und mindestens 10.000 „Aussteigern“ rechnen kann. Hollein hat außerdem dazu errechnen lassen, daß etwa 7000 Personen stündlich der City zustreben werden. Was zugleich den Ansatz dafür liefert, daß in diesem Bereich dem Fußgeher Vorrangstellung zukommen muß.

Erschwerend wirken allerdings die beiden die Fußgeherzone durchquerenden Hauptstraßenzüge, der Ring und die Vordere Zollamtstraße, die zur Bundesstraße 1 ausgebaut werden soll. Also hat Hollein mit den Verkehrsexperten der Stadt Wien alle städtebaulichen Lösungsmöglichkeiten durehexperimentiert. Das Ergebnis sind nun vier Hauptprojekte, die sich als Diskussionsgrundlage anbieten.

Sicher das weltstädtisch eleganteste, der Fußgeherzone am meisten entgegenkommende Projekt (P 2) ist HoMeins Vorschlag, zwischen Kleiner Marxerbrücke und Weißkirchnerstraße eine großzügige Treppenterrasse über den Wienfluß zu legen und so Hotelterrasse und Stadtpark ineinander übergehen zu lassen. Die Terrassenanlage wäre in allen Richtungen begehbar. Darunter denkt sich Hollein ein Freizeitzentrum, ein Kaufhaus oder Geschäfte, alle möglichen Serviceläden ... Charakteristisch für dieses Projekt ist der fließende Übergang vom Hotelbereich zum Stadtpark und zur Fußgeherzone Weißkirchnerstraße, die von Verkehrslärm und Absagen abgeschirmt werden müßte. Es soll eine durch viel Grün stark aufgelok-kerte, zum Spaziergang animierende Anlage sein.

Mit großzügiger perspektivischer Wirkung arbeitet Hollein in seinem Projekt 3: Er sieht hier eine Anhe-bung des Fußgeherniveaus und eine Absenkung der die Anlage durchschneidenden Bundesstraße 1 im Kreuzungsbereich Landstraßer Hauptstraße — Vordere Zollamtsstraße vor. Charakteristisch für P 3 ist die Bildung einer „Mulde“ zwischen AEZ, Bahnhof Landstraße und Hilton durch eine großzügige Treppenrampe am Westteil und eine Überbauung am Ostende der Fußgeherzone (halbe Absenkung der Bundesstraße und halbe Anhebung der Fußgeherzone wegen Kanalbauten).

Optisch weniger ansprechend ist Projekt 7, das eine Führung der Bundesstraße als Hochstraße mit darunterliegender verglaster Halle, das heißt als Wientalschnellstraße in Hochlage über dem Wienflußbett, vorsieht. Zwar ließe dieses Gebäude zahlreiche Nutzungsmöglichkeiten zu (Läden, Freizeitzentrum, Sporthallen, Wintergarten, Kindergarten usw.), aber alle Sicht Verbindungen zwischen Hotel und Park fielen weg.

Ein weiteres, indes wahrscheinlich sehr kostspieliges Projekt sieht eine Überdachung einer unter dem Stadtpark hindurcbgeführten Schnellstraße vor.

Wofür immer man sich jetzt entscheiden wird, bleibt in jedem Fall zu hoffen, daß man sich hier ohne Rücksicht auf Kosten für eine dem Stadtbild Wiens wie dem Verkehrs und vor allem den in dieser Stadt lebenden Menschen gleich günstigen Projekt entschließt. Denn was könnte ärger sein als eine unmenschliche, verkehrstechnisch problematische und womöglich noch geschmacklich unzumutbare „halbe Lösung“, die Wien noch dazu so oder so mindestens für die nächsten fünfzig Jahre erhalten bleibt?

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