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Diktatur auf Raten

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Mussolini ist Ministerpräsident. Allein, der Mönn im dunklen Rock und den un- gebügelten graugestreiften Hosen im Palazzo Chigi gleicht noch nicht dem Bilde des Diktators, wie wir es in Erinnerung haben. Auch ist die Diktatur erst auf dem Weg. Sechs Jahre braucht sie, dann ist es soweit. Ihre Stufen: Ermächtigungsgesetz, Kapitulation des Parlaments, Mätteotti-Mord, die Wahlreform des Jahres 1928, die der faschistischen Partei die alleinige Herrschaft im Staate sichert.

Unleugbare innem und außenpolitische Erfolge vergolden in sentimentaler Rückschau heute diese und die folgenden Jahre, in denen Mussolini seinem Volk die goldenen Ketten seiner Herrschaft überstreifte. Das Rad des Glückes und der Erfolge rollte weiter, beinahe ohne Halt.

Die Entscheidung zu dem Verderben bringenden Bündnis mit dem als Schüler des Faschismus noch vor kurzem äußerst ungnädig behandelten deutschen „Führer'' bringt — und das erscheint von Wichterich nicht stark genug herausgearbeitet oder erkannt — die österreichische Frage. Nachdem Mussolini Österreich aufgegeben hat, hat er das nationalsozialistische Deutschland am Brenner, den ständigen Druck im Nacken.

Der Abstieg des Diktators von dem Gipfel der Macht ist allgemein bekannt, Mit dem Kriegseintritt — „Selbstmord aus Angst vor dem Tode“, nennt es der Biograph — war alles besiegelt. Aber auch das letzte Kapitel: die Absetzung Mussolinis durch den Großen Rat der Faschisten am 24. Juli 1943, seine Haft und Befreiung, das Zwischenspiel der Republik von Salö — späte Heimkehr zu den republikanischen Idealen junger Jahre — und das düstere Ende an der Seite Claretta Petaccis gleichen wieder wie die Tage der Jugend den Erzählungen aus den Tagen der Condottiere.

Als ein solcher, als Condottiere des

20. Jahrhunderts — nicht weniger, aber auch nicht mehr —, wird Mussolini einmal in der Geschichte genannt werden. Versuche, ihn als düster-blutigen Tyrannen auszugeben, sind ebenso verfehlt wie die Hymnen an den einmaligen Staatsmann. Mit Recht sagt daher Richard1 Wichterich, dem für die ebenso blendend geschriebene wie historisch gerechte, allen Renaissancen des Mussolini-Mythus entgegentretende Biographie zu danken ist: „An diesem seltsamen, aufgeklärten und zugleich verblendeten Tyrannen offenbart sich die Gefahr jeder Diktatur. Nicht alle Diktaturen sind so chaotisch untergegangen wie die italienische und die deutsche. Aber keine noch so humane hat die Völker reifer, besser und glücklicher gemacht, als sie vorher waren.“

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