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Manner und Machte

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MORD FÜR FRANKREICH. Machtkampf um die Trikolore: Darlan, de Gaulle, Giraud

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MORD FÜR FRANKREICH. Machtkampf um die Trikolore: Darlan, de Gaulle, Giraud

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Eisenhower, Petain, Churchill. Von Peter Tompkins. 430 Selten, S 148.—. — DER

MANN DES SCHICKSALS. Benito Mussolini! — 20 Jahre später. Von Georges R o u x. 448 Selten, S 170.—. Beide Verlag Friti Molden, Wien-München.

Der Verlag Fritz Molden legt zwei Beiträge zur Zeitgeschichte vor. Der eine bringt Licht in eines der dunkelsten und verworrensten Kapitel des zweiten Weltkrieges, der andere lohnt, um es gleich zu sagen — die Mühen der Übersetzung und den verlegerischen Aufwand kaum. Doch davon später. Alles schön der Reihe nach.

Die Ereignisse des 24. Dezember 1942 in Algier, ihr kompliziertes Vorspiel und ihre weittragenden Auswirkungen sind auch dem politisch interessierten mitteleuropäischen Leser bis heute weitgehend unbekannt geblieben. Zu sehr fesselten damals die dramatischen Ereignisse, der Schlacht von Stalingrad unser aller Aufmerksamkeit. In dem Dröhnen der Batterien an der Wolga verhallte jener einzelne Pistolenschuß eines jugendlichen Attentäters, der dem Leben des französischen Admirals Harlan ein Ende setzte. Algier glich in jenen Wochen und Monaten vor und nach der alliierten Invasion einem wahren Hexenkessel. Intrigen wechselten mit Gegenintri-gen, Minen und Contreminen wurden gelegt, Komplotte geschmiedet und zerschlagen. Wer heute oben war, konnte morgen schon leicht ein toter, ein mausetoter Mann sein. Wer glaubt, daß sich allein Achsen-freunde und Parteigänger der Alliierten gegenüberstanden, tappt gründlich daneben. Peter Tompkins, der offiziell als Korrespondent und inoffiziell als Mitarbeiter des amerikanischen Nachrichtendienstes an der amerikanischen Invasion teilnahm, belehrte ihn eines besseren. Er macht in dem vorliegenden Buch den Versuch, vor unseren Augen das verschlungene Knäuel der politischen Fäden zu entwirren und die Hintergründe des Machtkampfs um die Trikolore, um die Herrschaft über Frankreich nach dem Tag X — um nichts anderes wurde damals in Algier gewürfelt — aufzuzeigen. Als das große Spiel begann, war — das ist heute beinahe vergessen — General de Gaulle nur eine Karte im großen Spiel und keine sehr hohe dazu. Die Macht über die von den Alliierten mit Recht als kriegsentscheidend angesehene nordafrikanische Landbrücke lag bei dem undurchsichtigen Admiral Darlan, der „unter dem Druck der Tatsachen“ sich von Vichy zu lösen und die Fronten zu wechseln anschickte. Aber da war auch General Giraud, den die Amerikaner nach seiner abenteuerlichen Flucht aus einem deutschen Kriegsgefangenenlager „aufzubauen“ entschlossen waren. Und — mit damals ziemlich kleinem Stellenwert — die freien Franzosen de Gaulles, die damals allein als eine Kreation der Engländer angesehen wurden. Um die Verwirrung voll zu machen, meldete auch der Graf von Paris seine Präsenz an. Das alles war aber nur die Handlung auf dem Vordergrund der Bühne; auf deren Hintergrund agierten die Emissäre der verschiedensten wirtschaftlichen Interessengruppen und der Hochfinanz.

Die Ereignisse in Algier 1942 sind Geschichte. Sie werfen aber so manches Licht auf die Gegenwart. Wer dieses Buch liest, findet nicht sosehr den Schlüssel zu dem Mord an Darlan, hier bleibt ein letzter Rest wie bei so vielen politischen Bluttaten offen. Vielleicht aber enträtseln sich dem Leser die Wurzeln von de Gaulles mangelnden Sympathien für die USA, die damals alles unternahmen, um zu verhindern, daß einmal ein General de Gaulle durch das befreite Paris zum Are de triomphe schreiten würde. Der heute im Elysee residierende .Präsident der französischen Republik hat dies bis heute weder vergessen noch verwunden.

Die Invasion in Nordafrika war die Voraussetzung zum Sprung über das Mittelmeer und zur Aufrollung der Achse vom Süden. Damals entschied sich auch das Schicksal Benito Mussolinis. Der durch eine Biographie über Nero bekanntgewordene französische Rechtsanwalt und Historiker Georges Roux zeichnet das Bild jenes Mannes, der aus Italienern Römer machen wollte, 20 Jahre nach dessen Ende nach. Kann er dem Mussolini-Bild neue Lichter aufsetzen? Kaum. Was bleibt, ist eine neuerliche und Oberflächliche Nacherzählung des Lebens Benito Mussolinis, die wir ja schon aus dem umfangreichen erst vor kurzem ins Deutsche übersetzten Biographie von Irvon Kirk Patrick und vielleicht bisher am besten aus dem bereits 1952 erschienenen und inzwischen schon vergessene Buch von Richard Wichterich „Mussolini. Aufstieg, Größe, Niedergang“ (vgl. „Furche“, 23. April 1952) kennengelernt haben.

Georges Roux ist nicht ohne Sympathien für den jungen Mussolini, den er von vielem, darunter auch von der letzten Verantwortung für den Matteotti-Mord zu exkulpieren bereit ist. Darüber läßt sich diskutieren. Nicht diskutieren aber läßt sich über die Übernahme des nationalistisch-italienischen Geschichtsbildes durch den Verfasser. Wenn dieser auf Seite 52 im Oktober 1918 die italienischen Armeen einen „glorreichen Sieg bei Vittorio Veneto feiern und darauf in rascher Folge Trient und Triest besetzen läßt, worauf die Österreicher um Waffenstillstand baten“, so kennt die ernste Geschichtsschreibung längst den wahren Sachverhalt. Auch sonst ist der Autor nicht gerade ein Mann der Exaktheit. So läßt er Göring die Maxime prägen „Wer Kanonen hat, hat auch Butter“ (in Wahrheit stellte Göring die Alternative: „Kanonen oder Butter“). Diese Großzügigkeit im Umgang mit historischen Fakten setzt sich an vielen Stellen fort. So unter anderm dort, wo er Österreich im Jahr 1938 „als durch St. Germain entwaffnet“ (S. 240) bezeichnet oder den österreichischen Emigranten Robert Klein-Ingrimm als „angelsächsischen Beobachter“ (S. 222) einschätzt. Das und so manches andere mag nocKJ als Flüchtigkeitsfehler Nachsicht finden. Die Niederringuing Abessiniens aber als „einen der bedeutendsten Augenblicke der Geschichte Italiens“ (S. 198) zu rühmen, und diesem „Schauspiel eines großen nationalen Elans“ zu applaudieren ist charakteristisch für jene — gelinde gesagt — „Oberflächlichkeit“ des Verfassers, der einfach nicht tiefer schürfen kann oder Will.

Wüßte man nicht aus dem Klappentext, daß Georges Roux schon andere historische Bücher geschrieben, man hielte ihn für einen jener schriftstellernden Diplomaten, deren Interesse mehr der Speisenfolge bei einer historischen Begegnung als ihrer Auswirkung auf das Schicksal der Völker gilt.

So bleibt als stärkster Eindruck nur der graphisch einprägsame Schutzumschlag Hans Schaumber-gers im Gedächtnis haften. Aber dafür allein hätte dieses Buch nicht übersetzt werden müssen.

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