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Streik?
Der angedrohte Streik im Hotel- und Gastgewerbe hat allgemein jenes Unbehagen ausgelöst, das wir noch vom Streik der Bäcker, her in Erinnerung haben, der vielen als ein Streik nicht, gegen die Unternehmer, sondern zuerst gegen die Bevölkerung erschien. Das Recht, zu streiken ist Kennzeichen einer freiheitlichen gesellschaftlichen Verfassung. In einer Gesellschaft, in der nicht gestreikt werden darf, ist der Arbeiter Staatssklave.
Warum nun das Unbehagen gegenüber der Streikdrohung im Hotel- und Gastgewerbe? Vor allem wegen des für die Streikansage gewählten Zeitpunktes. Die beiden Sommermonate bringen unserem Land so viel an Einnahmen aus dem Fremdenverkehr, daß damit ein großer Teil unseres Handelsbilanzdefizits gedeckt und zumindest ein Ausgleich der Zahlungsbilanz erzielt werden kann. Ftemdenbetten, Hotels nd Attraktionen für Fremde sind derzeit in Europa keine Mangelware. Wenn wir den Fremden die ihnen zuerst angebotenen Dienstleistungen schließlich verwehren, werden sie ihr Geld in anderen Ländern deponieren. Die Rechnung zahlen dann zuerst die Hoteliers und Gastwirte. Aber auch Tausende von Arbeitnehmern im Hotel- und Gastgewerbe sind an der Zahlung der Rechnung beteiligt, wenn nicht die Angehörigen ganzer Landstriche.
Dem Streikrecht entspricht die Pflicht, dieses Rechtes sich nur sparsam zu bedienen. Der Streik sollte die „ultima ratio” sein. — Lohnverhandlungen mit Streikdrohungen beginnen, heißt das Streikrecht in einer unpassenden Weise strapazieren. Darüber hinaus muß auch der Versuch, an Stelle von Argumenten vorweg einfach mit dem Streik zu drohen, als eine völlige Verkennung des Sinnes des nun einmal faktisch garantierten Streikrechtes angesehen werden. Das Streikrecht soll unter anderem den Arbeitnehmern verhelfen, das Gleichgewicht in der Wirtschaftsgesellschaft gegenüber den Arbeitgebern zu gewinnen. Nicht aber soll durch das Streikrecht ein U e b e r gewicht der Arbeitnehmer entstehen.
Anderseits sollten es sich die Unternehmer der Branche wohl überlegen, den Forderungen der Arbeitnehmer gegenüber nur ein „Unmöglich” festzuhalten. Das gilt vor allem für jene Betriebe, welche nicht nur eine Saison haben.
Die Fachgewerkschaft hat bei ihrer Streikdrohung die Paritätische Kommission übergangen. Nun haben gerade die Gewerkschaften die Paritätische Kommission und damit eine Einrichtung miterrichten helfen, die wesentlich zur Stabilisierung unseres Preisgefüges und der Währung beigetfagen hat. Die Ausschaltung der Paritätischen nimmt dieser viel von dem für ihren Bestand notwendigen Prestige, das sie vorläufig, mangels ausreichender gesetzlicher Deckung, für diese einsetzen muß. Wenn eine Fachgewerkschaft, bei keineswegs begeisterter Zustimmung der zentralen Führung des OeGB, die Paritätische glattweg übergeht, bedeutet dies die Ausstellung eines Freibriefes für Unternehmergruppen, die Preise im Interesse der Steigerung ihrer Gewinne „spontan” zu manipulieren. Das sollte alles bedacht werden, bevor einerseits mit Streik gedroht und anderseits ein „Nein, nein, niemals” gesagt wird. Beides richtet sich schließlich nicht gegen den Sozialpartner - sondern gegen Land und Volk!
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