Sichtbare Standesunterschiede

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"Kaiser, König, Edelmann ..." steht über der heurigen Schau im Stift St. Paul im Lavanttal.

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"Kaiser, König, Edelmann ..." steht über der heurigen Schau im Stift St. Paul im Lavanttal.

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Unserem Jahrhundert ist soziale Gerechtigkeit ein Anliegen, wenn sie auch nicht verwirklicht ist, und seit der Französischen Revolution träumt man von Gleichheit, ebenso vergeblich.

Nun zeigt eine Ausstellung im Kärntner Benediktinerstift St. Paul, wie sich "Kaiser, König, Edelmann ..." voneinander unterschieden. Wo aber bleibt der Bauer, der Bürger, der ebenfalls Teil der barocken Gesellschaft war? In spannungsreichem Gegenüber wird auch diesen weitaus weniger privilegierten Ständen Raum gegeben. In 20 Sälen führt die Ausstellung durch Prunk und Pracht, durch Bescheidenheit und Not, durch Blüte der Wissenschaft in Friedenszeiten und durch die Schrecknisse des Krieges. Am Anfang des Weges steht ein Thron in einem sonst leeren Raum: Symbol für Macht und Einfluß, aber auch für die Entfernung des Herrschers von den Untertanen. Die geistliche und weltliche Aristokratie vergnügte sich mit dem Sammeln von Raritäten.

In Fürstenhäusern waren es Objekte aus kostbarem Material, Elfenbeinschnitzereien, Juwelen, auch Geschenke aus exotischen Ländern. Da findet man Seidenkleider aus China, eine Miniaturkutsche aus Elfenbein oder - etwas grausig -eine anatomische Studie.

Kulturhistorisch besonders wichtige Sammlungen sind der stiftseigene Schatz von 30.000 Münzen und natürlich die Bibliothek mit ihren prachtvoll gestalteten Handschriften. Im 15. und 16. Jahrhundert brachten Segelschiffe die Schätze des Orients nach Europa. Ein solches Schiff wurde erst 1985 gehoben. Die Ladung aus Gewürzen, Spezereien, Stoffen ist in der Ausstellung auf einem nachgebauten Schiff zu sehen. Eine gedeckte Tafel steht für den Luxus der Festmahlzeiten. Kostbares Porzellan, feines Glas, poliertes Silberbesteck gingen vielleicht nicht immer mit entsprechenden Tischmanieren einher, wie man aus zeitgenössischen Berichten weiß. Streng geregelt war aber die Jagd, welcher fast alle Habsburger Kaiser frönten. Karl VI. schenkte dem Stift St. Paul ein Abtkreuz aus Diamanten und Smaragden. Ob es eine Gegengabe für einen erlegten kapitalen Hirsch war?

Man weiß es nicht. Kärnten war damals ein reiches Land, denn Bergbau und der für die Töpferei benötigte Ton brachten Arbeit und Gewinn. Die Bürger profitierten ebenso davon, und mit dem Biedermeier entfaltete sich eine einfache, aber überaus geschmackvolle Wohnkultur. Aber es gab die großen Gleichmacher: Das waren Krankheiten und Seuchen. Zur Zeit des Barock - und bis in unser Jahrhundert - war man Infektionen hilflos ausgeliefert, woran auch die heißesten Bemühungen der Ärzte nichts ändern konnten.

Die Pest traf Arm und Reich, Edelmann und Bauern. Sie alle starben dahin, ohne Unterschied. Doch noch im Tod gab es keine wirkliche Gleichheit. Der letzte Raum der Ausstellung zeigt einen geschmückten Katafalk mit schwarzem Samt bedeckt für den Edelmann. Daneben steht ein einfacher, aus rohen Brettern gezimmerter Sarg für den Armen. Was für beide gleich war, zeigt der letzte Blick von diesem Sarg auf die Figur des Auferstandenen: Es war die Hoffnung auf den Himmel.

Bis 26. Oktober, täglich 9-17 Uhr, Stift St. Paul im Lavanttal, Tel. 04357/2019-22.

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