6784371-1970_06_11.jpg
Digital In Arbeit

Einstein und Prag

Werbung
Werbung
Werbung

In den Jahren 1911/12 war Albert Einstein Professor für theoretische Physik an der Deutschen Universität in Prag. Sein Institut war in der Weinberggasse, und sein Amtsraum im zweiten Stock hatte eine schöne Aussicht in einen alten Baumgarten jenseits der Straßenmauer, der zum Irrenhaus der dortigen Klinik gehörte. Man nannte diesen Komplex, der zur St.-Katherina-Kirche gehörte, „Katefinky“. Dort gingen vormittags die Frauen, nachmittags die Männer dieser Anstalt spazieren, und als Albert Einstein seine Kathederstelle Philip Frank übergab, sagte er ihm: „Dort sehen Sie'die Narren, die 3ich nicht mit der Quantentheorie befassen!“ Auf die Frage Franks, wie die anderen Professoren der Universität seien, sagte Einstein: „Das ist relativ, die einen sind schmutzig, die anderen unrein.“ Er war gewohnt, immer zu scherzen. Während seines Prager Aufenthalts (er wohnte am Smichov zwischen Moldau und Kinsky-Garten) hatte er relativ viel Zeit, über seine Relativi-

tätstheorie nachzudenken. Er hatte nur wenige Vorlesungen und einige abendliche Seminarübungen. Einmal holte ihn seine Frau aus dem Seminar ab und fragte, wo das Auditorium des Prof. Einstein sei. Der Portier schüttelte das Haupt und sagte: „Auditorium? Dort oben im zweiten Stock sitzt er mit fünf Studenten!“

Einstein hatte einen Laboratoriumsdiener, Blaustein, der gern Alkohol trank. Da er eine Likörflasche im Schrank hatte, schrieb er hiezu folgende Warnung: „Augengefährlich, Achtung, Einstein.“ Am nächsten Tag fand er einen zweiten Zettel mit der - Aufschrift: „EenOoge riskier' ich; danke, Bläustein.“

Nur ungern schaffte er sich die vorgeschriebene k. k. Professorenuniform mit Degen an, er liebte Formalitäten nicht Er verkehrte in einem Philosophenzirkel mit Max Brod und Franz Kafka bei einer Apothekersgattin Fanta im Haus zum Einhorn auf dem Altstädter Ring

und sehr gern mit Georg Pick, dem Mathematikprofessor der Universität, Ernst Machs Schüler, Musikliebhaber, mit dem er musizierte. Georg Pick ist im Judenghetto in There-sienstadt im Alter von 80 Jahren verhungert.

Bevor Einstein sich um die Professur in Prag bewarb, machten ihn Freunde darauf aufmerksam, daß Franz Joseph I. ganz ungern konfessionslose Professoren ernenne, und Einstein füllte den Fragebogen bei Punkt „Religion“ mit „mosaisch“ aus. Er war nicht mehr jüdischen Glaubens, aber die Zehn Gebote Moses anerkannte er immer als Postulat.

Nur ungern machte Einstein bei anderen Professoren Anstandsbe-suche, insofern ihn die Stadtteile interessierten, wo sie wohnten. Später gab er es auf. Georg Pick hat ihn weitgehend über Ernst Machs Wirken in Prag informiert. Er war früher Assistent bei Mach gewesen. Einstein vollendete in Prag seine Arbeiten „Uber den Einfluß der Schwerkraft auf die Ausbreitung des Lichtes“ und „Prinzip der Äquivalenz von Schwere und Beschleunigung“. Seine Entdeckungen waren „phantastisch“ und konnten erst bei einer Sonnenfinsternis bewiesen werden. Dies sollte im Jahre 1914 durch eine deutsche Expedition in Rußland geschehen, aber der ausbrechende Krieg machte diese unmöglich. Der Beweis konnte erst nach dem ersten Weltkrieg, im Jahre 1919, erbracht werden.

Prag verließ Einstein, um einer Berufung an das Züricher Polytechnikum Folge zu leisten, wo er studiert hatte. Der Sohn seines Lehrers Professor Weber, heute selbst ein alter Herr, der sich Prot Weber jun. schreiben muß, erzählt, daß Einstein immer nach den Vorlesungen seinen Vater mit nachträglichen Fragen aufgehalten habe, so daß die Suppe auf dem Familientisch immer erkaltete. Diese kalten Suppen wurden daher im Familienkreis „Einstein-Suppen“ genannt.

Im Vestibül des Physikinstituts in Prag ist eine Gedenktafel für Albert Einstein angebracht, die an die Fassade kommen wird, sobald diese adaptiert sein wird. Nach Prag kam Einstein im Jahre 1921 wieder, hoch geehrt, als er aber auf diese Ehrungen antworten sollte, wählte er lieber anstatt einer Ansprache seine Geige und spielte den Anwesenden Musik vor. Er blieb mit den Pragern in Verbindung, hauptsächlich mit der Liga für Menschenrechte, deren Organ „Die Wahrheit“ auch seine Äußerungen gegen Krieg und Militärdienst brachte.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung