Licht … eine Doppelnatur

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Auch in der Physik spielt Licht eine ganz wesentliche Rolle und war sogar Anlass für einen großen Paradigmenwechsel.

Licht ist ein zentraler Begriff mit vielen Bedeutungen, aber immer zielt er auf Wesentliches. „Das Licht ist in die Welt gekommen, doch die Menschen hatten die Finsternis lieber als das Licht“ (Joh 3,18f), mit diesen Worten definiert Jesus von Nazareth das „Gericht“. Und Josef Haydn hat in seiner „Schöpfung“ das „Es werde Licht!“ in wunderbare Akkorde gegossen!

Auch in der Physik spielt Licht eine zentrale Rolle und war Anlass sogar für Paradigmenwechsel. Der Große Isaac Newton ist im Allgemeinen wegen seiner Gravitationstheorie bekannt. Er ist aber auch Urheber der ersten naturwissenschaftlichen Lichttheorie. Da er das weiße Licht in seine Spektralfarben (so wie im Regenbogen) zerlegt hat, betrachtete er diese wie die „Atome “ des Lichtes und schloss daher, das Licht müsse aus Teilchen bestehen. Dabei stieß er aber auf den fundamentalen Widerspruch, dem sich jede Atomtheorie zu stellen hat: Die letzten Urbausteine können weder ausgedehnt, noch punktförmig sein! Sind sie ausgedehnt, kann man sie weiter teilen (denn Teilbarkeit ist gerade die Definition vom Ausgedehnten!); sind sie es nicht, kann man daraus keine ausgedehnten Objekte zusammensetzen.

Newton oder Goethe?

Newton entzog sich der Diskussion um diesen Widerspruch durch Rekursion auf Gott! Er postulierte einfach, was Gott am Anfang aller Zeiten unteilbar geschaffen hat, das kann der Mensch nicht teilen!

Johann Wolfgang Goethe wehrte sich vehement gegen die Newtonsche Lichttheorie. Für Goethe war das Zerlegen in einfache Elemente wider die Vernunft. Er betrachtete seine Farbenlehre als seinen wichtigsten Beitrag zur Kulturgeschichte der Menschheit! Im Vorwort zur ersten Auflage 1810 verglich er die Newtonsche Lichttheorie mit einer alten Burg, welche ständig verstärkt, verbessert und vergrößert wird und niemals eingenommen werden konnte, und schreibt dann: „Niemandem fällt es auf, dass der alte Bau unbewohnbar geworden. Immer wird von seiner vortrefflichen Dauer, von seiner köstlichen Einrichtung gesprochen … Gelingt es uns nun, mit froher Anwendung möglichster Kraft und Geschickes, jene Bastille zu schleifen und einen freien Raum zu gewinnen, so ist keineswegs die Absicht, ihn etwa sogleich wieder mit einem neuen Gebäude zu überbauen und zu belästigen; wir wollen uns vielmehr desselben bedienen, um eine schöne Reihe mannigfaltiger Gestalten vorzuführen.“

Goethe in die Kunst abgeschoben

Inzwischen ist der Goethe’sche Einwand in den Bereich der Kunst abgeschoben und die Natur des Lichtes durch Interferenz-Experimente eindeutig als Wellenbewegung erkannt worden. Wo sich Wellen ausbreiten, muss sich etwas bewegen, das von den Wellen selbst verschieden ist. Die Wellen auf einer Wasseroberfläche sind nicht mit dem Wasser identisch, das durch seine Bewegung die Wellen entstehen lässt. Dieses „Etwas“ sollte der schon von Aristoteles postulierte Äther sein, der den ganzen Raum erfüllt.

Aber dieser Äther führte die Physik erneut in einen Widerspruch! Seit Galileo Galilei gilt das sogenannte Relativitätsprinzip. Demnach lassen sich gleichförmige Bewegungen vom Ruhezustand nicht unterscheiden. Jede und jeder, die oder der einmal am Fenster eines Zuges den Nachbarzug abfahren gesehen hat, weiß wie sehr man sich zunächst selbst in Bewegung versetzt fühlt. Der Äther schien dieses Prinzip zu verletzen, weil er gewissermaßen einen absoluten Ruhezustand darstellte (so wie im Zug der Bahnhof als Bezug dienen kann). Man suchte also, die absolute Geschwindigkeit der Erde gegen diesen ruhenden Hintergrund des Äthers zu bestimmen. Erstaunlicherweise ließ sich keine Geschwindigkeit feststellen, selbst Winter und Sommer ergaben keine Unterschiede. Die Lösung dieses Rätsels gelang Albert Einstein in seinem „Annus mirabilis“ 1905. Als kleiner Patentbeamter in Bern konnte er die Physik retten!

Wie Einstein die Physik rettete

Die Lösung kam wieder einmal durch das Licht. Das Licht war viel fundamentaler, als man bis dahin angenommen hatte. Die Geschwindigkeit des Lichtes (im Vakuum) war eine Naturkonstante, die immer und überall, unabhängig von der Bewegung des Beobachters, gleichen numerischen Wert hatte! Das ist der große Wurf Einsteins in seiner Speziellen Relativitätstheorie. Aber diese Erkenntnis vertrug sich nicht mit der Hypothese des Äthers als alles erfüllende Substanz. Denn dort war die Geschwindigkeit des Lichtes im Äther festgelegt und musste sich für Beobachter, die sich im Äthermeer bewegten, ändern. Also musste Einstein den Äther abschaffen! Licht sollte sich durch den leeren Raum bewegen und nicht als Welle in einem Medium auftreten. Also schien das Licht doch nicht immer eine Wellenbewegung zu sein!

Als Einstein seine Relativitätstheorie 1909 in Salzburg bei der Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte erstmals einem größeren Publikum vorstellte, sprach er daher länger über das Licht als über die Relativitätstheorie selbst. Dabei fielen so bemerkenswerte Sätze wie: „Die Relativitätstheorie hat also unsere Anschauungen über die Natur des Lichtes insofern geändert, als sie das Licht nicht als Folge von Zuständen eines hypothetischen Mediums auffasst, sondern als etwas wie die Materie selbständig Bestehendes.“ Und Einstein stellt dann die damals experimentell gesicherte Wellentheorie des Lichtes (er spricht von „Undulationstheorie“) der Newtonschen Teilchentheorie (er sagt „Emissionstheorie“) gegenüber: „Es scheint, dass in Bezug auf diesen Punkt die Emissionstheorie des Lichtes von Newton mehr Wahres enthält als die Undulationstheorie“, wahrlich mutige Worte angesichts einer unbeschränkt vorherrschenden Lehrmeinung!

In seiner Allgemeinen Relativitätstheorie ging Einstein noch einen Schritt weiter. Wenn Licht „etwas wie die Materie selbständig Bestehendes“ ist, dann müsse es in Gravitationsfeldern – zum Beispiel in der Nähe der Sonne – ablenkbar sein, so forderte er in seiner Theorie. Das sollte man bei einer totalen Sonnenfinsternis, bei der die Sterne in Sonnennähe sichtbar werden, überprüfen können. Wenn es nicht so sei, dann wäre seine wunderbare Theorie falsch und bloß für den Papierkorb.

Eine so ungeheure Behauptung erregte freilich das Interesse eines großen Publikums. Am 29. Mai 1919 gab es eine Sonnenfinsternis, die allerdings nur im Süden total war. Also begab sich der Astrophysiker Arthur Stanley Eddington auf eine Expedition nach Afrika; er konnte die Vorhersage Einsteins tatsächlich bestätigen!

Welle wie Teilchen

Einsteins Vermutung, Licht könne auch Teilchencharakter haben, war der Anstoß für eine Entwicklung, die schließlich zur Quantentheorie führen sollte. Aber in jenen Tagen gab es noch beachtlichen Widerstand. Selbst Max Planck, der schon 1900 entdeckt hatte, dass Licht einer gegebenen Wellenlänge nur in ganzzahligen Vielfachen einer fundamentalen Einheit auftreten konnte (wir sprechen heute von „Quantelung“), fand Einsteins Hinwendung zur Newtonschen Teilchentheorie nicht mehr akzeptabel. Noch zwölf Jahre später, als er Einstein der Preußischen Akademie der Wissenschaften empfahl, meinte er, man müsse Einstein diesen Schritt verzeihen.

Es dauerte noch zwei Jahrzehnte, bis die neue Theorie – die Quantenmechanik – im Wesentlichen fertig war. Der Österreicher Erwin Schrödinger hat einen fundamentalen Beitrag dazu geleistet! Es zeigte sich, dass die Doppelnatur – Welle und Teilchen – nicht auf das Licht beschränkt ist. Alle Objekte im Mikrokosmos unterliegen dieser Dualität, wobei „Mikrokosmos“ auch noch ziemlich große Moleküle umfasst, wie Experimente an der Universität Wien gezeigt haben.

Ausgehend von der Untersuchung des Lichtes ist damit eine vollkommen neue Denkweise in die Physik eingezogen, deren weitere Konsequenzen noch gar nicht vollständig absehbar sind. Wen wundert’s, ist doch das Licht viel mehr als bloß Objekt physikalischer Untersuchungen.

* Der Autor ist Emeritus der Fakultät für Physik der Universität Wien und Buchautor

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