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Sein leidenschaftliches Eintreten für den Frieden und sein rebellisches Wesen machten ihn fast so berühmt wie seine Physik. Stationen im Leben eines radikalen Pazifisten.

Der verträumt blickende Knabe hat viele Talente. Nur zwei hat er nicht: Gehorsam und Anpassung. Albert Einstein, geboren am 14. März 1879 als erstes Kind einer nicht religiösen jüdischen Familie, ist militärischer Drill schon an der Münchener Schule ein Gräuel: "Die Lehrer in der Elementarschule kamen mir wie Feldwebel vor und die Lehrer am Gymnasium wie Leutnants." Umso größer ist seine Anstrengung, der Schule - und dem Militär - zu entkommen: 1894 verlässt der 15-Jährige München und bereitet sich autodidaktisch auf die Aufnahmeprüfung des Polytechnikums Zürich vor. Allerdings muss er die deutsche Staatsbürgerschaft aufgeben, sonst gilt er als fahnenflüchtig. Fünf Jahre ist er folglich staatenlos.

Staatenlos - und glücklich

Erst nach Abschluss des Polytechnikums, in dessen Verlauf er seine spätere erste Frau Mileva Mari´c kennen lernt, bewirbt er sich um die Schweizerische Staatsangehörigkeit. Prompt bestellt das Militär den Physiker zur Musterung. Und wieder hat Einstein Glück: Krampfadern, Plattfüße und Fußschweiß führen zur Klassifizierung "Untauglich A". Von militärischen Belangen unbehelligt zieht er mit Mileva nach Bern, tritt im Juni 1902 eine Stelle am "Eidgenössischen Amt für geistiges Eigentum" an und frönt seiner spektakulären Wissenschaft.

Doch so bahnbrechend seine Arbeiten des Jahres 1905 sind: Die Qualitäten des neuen Kopernikus werden nur zögerlich anerkannt. Schließlich beruft ihn die Preußische Akademie der Wissenschaften 1914 nach Berlin. Einstein, inzwischen Vater zweier Söhne, sagt sofort zu - auch, um seiner geliebten Cousine Elsa Einstein nahe zu sein. Nicht nur privat, auch politisch folgen stürmische Zeiten: Fassungslos muss der Pazifist Einstein miterleben, wie die Kriegsbegeisterung um sich greift. Um die globale Verständigung zu retten, wird er Mitbegründer des "Bundes Neues Vaterland", der später verboten wird. "In solcher Zeit sieht man, welch trauriger Viehgattung man angehört", kommentiert er das patriotische Getöse der Mobilmachung. "Ich döse ruhig hin in meinen Grübeleien und empfinde nur eine Mischung aus Mitleid und Abscheu."

Einsteins Grübeleien betreffen auch jene Frage, die man ihm selbst 30 Jahre später stellen wird: jene nach der Verantwortung des Wissenschafters für die Nutzung seiner Erkenntnisse. Anlass ist eine Tragödie: Am 22. April 1915 ergeht in Ypern, einem belgischen Städtchen an der Westfront, der Befehl zum Giftgaseinsatz. 5.000 Menschen sterben, 15.000 werden verletzt. Verantwortlich für das tödliche Experiment ist der Chemiker Fritz Haber. "Von Stellungnahmen Einsteins zum Gaskrieg ist nichts bekannt", schreibt Jürgen Neffe in seiner Einstein-Biographie. "So heftig er sich gegen Kriege und alles Militärische einsetzt, so wenig äußert er sich zu militärischen Mitteln und deren Ursprung in der Wissenschaft." Lieber zieht sich Einstein in sein Schneckenhaus zurück und grübelt an der Allgemeinen Relativitätstheorie, die er im November 1915 präsentiert.

Seinen ersten großen politischen Auftritt hat Einstein erst vier Tage nach der deutschen Novemberrevolution 1918 bei einem Treffen des neu konstituierten "Bundes Neues Vaterland". Seine Begeisterung für die deutsche Republik ist groß - und blauäugig: "Die militärische Religion ist verschwunden. Ich glaube, sie wird nicht wiederkehren."

Einsteins Reden haben immer mehr Gewicht. Zugleich nehmen die Anfeindungen zu. "Als Jude, Linker, Pazifist und Querdenker bringt er alles mit, was seine Gegner hassen", so Jürgen Neffe. Da kommen Auslands-Reisen gerade Recht: Als sich Albert und seine zweite Frau Elsa 1922 gerade in Japan befinden, wird ihm für 1921 der Nobelpreis zuerkannt. Doch ist Einstein Deutscher? Die Akademie geht davon aus. Offiziell erklärt Einstein erst 1924, dass er neben der Schweizer auch die Preußische Staatsbürgerschaft besitzt.

In den kommenden Jahren, die ganz im Zeichen der Auseinandersetzung mit der Quantentheorie stehen, verstummen die Feindseligkeiten kurz. Einstein wird gar "deutscher" Vertreter in der Kommission für Geistige Zusammenarbeit des Völkerbundes. Schließlich kommt es 1932 auf Anregung des Völkerbundes zu einem Briefwechsel mit Sigmund Freud, der in die Geschichte eingehen wird: "Warum Krieg?" fragt der Physiker den Erforscher des menschlichen Trieblebens. "Gibt es einen Weg, die Menschen von dem Verhängnis des Krieges zu befreien?" Die Antwort Freuds: "Wir sind Pazifisten, weil wir es aus organischen Gründen sein müssen." Und er fügt hinzu: "Vielleicht ist es keine utopische Hoffnung, dass der Einfluss (...) der kulturellen Einstellung und der berechtigten Angst vor den Wirkungen eines Zukunftskrieges dem Kriegführen in absehbarer Zeit ein Ende setzen wird."

Freuds Hoffnung bleibt unerfüllt: Im Jänner 1933 wird Hitler Reichskanzler. Am 3. Oktober 1933, eine Woche vor seinem Abschied aus Europa, warnt Einstein in der Royal Albert Hall vor der heraufziehenden Gefahr. Er wird Deutschland nie wieder betreten.

Im neuen Institute for Advanced Study in Princeton wagt er einen Neuanfang - und bleibt doch im Bann der Politik: Im Juli 1939 unterschreibt er jenen Brief an us-Präsident Roosevelt, in dem davor gewarnt wird, dass das Element Uran "in absehbarer Zeit" zum Bau von Bomben verwendet werden könnte. Roosevelt reagiert: 1943 startet unter der Leitung von J. Robert Oppenheimer das streng geheime "Manhattan-Projekt" zum Bau der Atombombe in Los Alamos - doch ohne Einstein. fbi-Chef J. Edgar Hoover hat "im Hinblick auf seinen radikalen Hintergrund" von Einsteins Beteiligung abgeraten. Dennoch wird Einstein, der Schöpfer der Formel E=mc2, später von den Medien für die Tragödien von Hiroshima und Nagasaki vom 6. und 9. August 1945 mitverantwortlich gemacht.

Verfolgt von Hexenjägern

Im Gegenzug fordert er, das "Geheimnis der Bombe" einer Weltregierung anzuvertrauen. Doch statt Gehör zu finden, macht er sich nur bei den "Hexenjägern" um Senator Joseph McCarthy verdächtig. Die Reaktion des 72-Jährigen auf die Schikanen ist so rebellisch wie ehedem als verträumter Bub: Er sitzt im Fond eines Autos - und streckt die Zunge heraus.

BUCHTIPPS:

EINSTEIN. Eine Biographie. Von Jürgen Neffe. Rowohlt Verlag, Reinbek/Hamburg 2005. 491 S., geb., e 22,90.

ALBERT EINSTEIN. Eine Biographie. Von Albrecht Fölsing. Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M. 1995, TB, 959 S., e 12,40 (=st 2490).

WARUM KRIEG? Ein Briefwechsel. Mit einem Essay von Isaac Asimov. Von

Albert Einstein und Sigmund Freud. Diogenes, Zürich 2005, 63 S., TB, e 5,10.

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