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Das Atom und der Mensch

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Das Atom. Von G. Thomson. Musterschmidt-Verlag, Göttingen. 3. Aufl. 168 Seiten, 15 Abbildungen. Preis 12.80 DM.

Das 1930 zum erstenmal erschienene Buch des englischen Nobelpreisträgers Sir George Thomson liegt heute in neuer, überarbeiteter und ergänzter Auflage vor. Es ist wohl die beste und anschaulichste Schilderung des schwierigen Weges voll überraschender Erfolge, den die Physik von der klassischen Atomtheorie bis zur technischen Verwertung der Atomenergie gegangen ist. Der Verfasser hat die be-wunderswerte Fähigkeit, auch die kompliziertesten Sachverhalte mit einfachen Worten und ohne jede mathematische Formulierung so überzeugend verständlich zu machen, daß das Buch auch für den vollkommen Außenstehenden zu einer spannenden und ungemein aufschlußreichen Lektüre wird. Besonders bewährt sich diese Kunst bei der Darstellung der Wellentheorie der Materie, dem eigenen Schaffensgebiet des Verfassers. Wer sich eine klare Uebersicht über die wissenschaftlichen Grundlagen der heute soviel diskutierten Probleme der Atomenergieverwertung verschaffen will, der greife zu diesem Buch.

Von der Uranspaltung bis Calderhall. Von B a g g e,

D i e b n e r und J a y. Rowohlts Deutsche Enzyklopädie. 165 Seiten. Preis 1.90 DM.

In diesem ungemein aufschlußreichen Bändchen der auch sonst sehr verdienstvollen „Rowohlts Enzyklopädie“ berichten zwei deutsche Atomphysiker über die Entwicklung der Kernenergieverwertung in der Deutschen Bundesrepublik: die grundlegenden wissenschaftlichen Leistungen vor dem Krieg, den' mißlungenen Versuch der Nutzbarmachung dieser Energiequelle während des Krieges, die chaotischen Zustände nach Kriegsende und über die weitere wissenschaftliche, technische und organisatorische Entwicklung bis zur Gründung des Atomministeriums und einer Kapitalgesellschaft für die Anschaffung und Inbetriebsetzung von Forschungs- und Leistungsreaktoren. Ein zeitgeschichtlich interessantes Dokument ist das Internierungstagebuch der nach dem Kriege von den Alliierten internierten deutschen Atomphysiker. Im zweiten Teil des Bändchens berichtet K. Jay über die Voraussetzungen, die Planung und den Aufbau des großen englischen Reaktorwerkes in Calderhall, wobei die wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Aspekte eines solchen Unternehmens anschaulich zur Darstellung kommen.

Atomkraft und menschliche Freiheit. Von J. Robert Oppenheimer. Rowohlts Deutsche Enzyklopädie 126 Seiten. Preis 1.90 DM.

Dieses Bändchen der Rowohlt-Enzyklopädie fesselt uns zunächst wegen der Person des Autors der sieben Vorträge, die in den Jahren 1946 bis 1954 gehalten worden sind und hier zum erstenmal in deutscher Sprache vorliegen J. Robert Oppenheimer, einer der bedeutendsten Atomphysiker, wurde 1943 erster Direktor der Atombombenversuchsstation von Los Alamos und war 1946 bis 1952 Vorsitzender des Beratungsausschusses der amerikanischen Atomkommission. 1953 wurde er vom Sicherheitsausschuß der gleichen Behörde der Spionage verdächtigt, Anschuldigungen, die sich in einem langen und aufsehenerregenden Prozeß als unbegründet erwiesen habe*n. Seither widmet sich Oppenheimer wieder ganz der Wissenschaft und spielt im Geistesleben der Vereinigten Staaten eine große Rolle. Seine Vorträge zeigen uns das Bild einer geistreichen, feinfühlenden und vielseitig gebildeten Persönlichkeit und behandeln vor allem die Fragen der Stellung der Wissenschaft und des Wissenschaftlers in der heutigen Welt. Sie berühren auch vielfach die ethische Problematik des Atomzeitalters“. Das „enzyklopädische Stichwort“ zu diesem Band schrieb der deutsche Atomphysiker Gerlach, einer der Unterzeichner des Göttinger Atom-Manifestes. Er schildert kurz die wissenschaftlichen Grundlagen der Nutzung der Atomenergie und hält die gefahrlose Entwicklung ihrer friedlichen Verwertung für durchaus möglich. Hingegen wendet er sich mit großer Schärfe gegen die Versuchsexplosionen von Atombomben. Seine Ausführungen über den drohenden Atomkrieg gipfeln in der etwas weltfremden Forderung an die Atorn-physiker, sie mögen dafür sorgen, daß die Beherrschung der Atomenergie denen aus der Hand genommen werde, die sie zu kriegerischen Zwecken mißbrauchen wollen.

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Die Atombombe und die Zukunft des Menschen.

Von Karl Jaspers. Verlag Piper, München.

In dieser Ausgabe eines schon mehrfach abgedruckten Radiovortrages kündigt der große Philosoph ein Buch über die so aktuelle Problematik der Atomrüstung an, auf das man gespannt sein kann. Hier entwirft er nur kurz, aber mit großer Eindringlichkeit, auf dem Hintergrund der Möglichkeit, daß durch einen totalen Atomkrieg die Existenz der ganzen Menschheit vernichtet werden könnte, ein scharfes und unerbittlich klares Bild der Stimmung und der Denkweise, die heute die Menschheit beherrschen.

Mit Recht sagt er: „... so sind alle Bestrebungen, die nur die Atombombe als solche verwerfen, ohne sie im Gesamtzusammenhang der realen Handlungen der Staaten und der offenbaren Antriebe der meisten Menschen zu sehen, vergeblich und gefährlich. Denn sie kommen nicht an die Wurzel des menschlichen Unheils, sondern haften am Symptom. Weil sie vom Wesentlichen ablenken, tragen sie bei zur Ver-neblung, als ob mit Empörung und Aufrufen etwas getan sei. Denn hinter dieser Fassade von Meinungen und Affekten setzen sie, ob Pazifisten oder nicht, im alltäglichen Tun und Urteil die Lebens- und Denkweise fort, die als der Boden der menschlichen Wirklichkeit jene Schrecken zur Folge hat.“ In der ausweglosen Situation sieht Jaspers nur eine Hoffnung: den Ruf der Propheten des Alten Bundes zu hören: „unsere Gesinnung und Denkungsart, unseren sittlich-politischen Willen zu verwandeln“. In der Erörterung dieser Forderung führt er den Leser vor gefährliche Grenzsituationen, etwa die Alternative

„der Bedrohung alles Lebens durch die Atombombe stände gegenüber die Bedrohung aller Freiheit durch den Totalitarismus“. Wenn auch das Vertrauen in die menschliche Vernunft nicht mehr standhält, wo bleibt dann noch ein Vertrauen? So erreicht die erregende Darstellung in der Erkenntnis, „daß Gott ist, ist genug“, jenen Horizont eines Vertrauens, das durch kein Scheitern in der Welt, auch nicht durch Scheitern der Vernunft, getilgt werden kann. „Mutig ist es, im Wissen und Nichtwissen zu tun, was möglich ist, und die Hoffnung nicht aufzugeben, solange man lebt.“ — Es ist erschütternd, zu erkennen, wie tief die jedem von uns im „Atomzeitalter“ aufgegebene Verantwortung die Wurzeln alles menschlichen Seins bloßlegt, und daß wir wohl nur durch den vollen Einsatz einer im christlichen Glauben gefestigten Weltanschauung dieser Verantwortung standhalten können.

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