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Mensch, Tier, Mikrobe

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Leben und Umwelt. Vom Gesamthaushalt der Natur. Von August Friedrich Thienemann. Rowohlts deutsche Enzyklopädie. Band 22. Rowohlt, Hamburg. Preis 1.90 DM.

Unter den 450 in wissenschaftlichen Zeitschriften und Sammelwerken und den zehn in Buchform erschienenen Arbeiten Thienemanns nimmt das vorliegende, 1942 erstmals in der Sammlung Bios veröffentlichte Bändchen insofern eine Sonderstellung ein, als es mit Recht als eine Programmschrift angesehen werden muß. Zugleich enthält es die Zusammenfassung einer lebenslangen, bis zum Letzten konsequenten und international anerkannten Forscherarbeit. „Leben und Umwelt“ ist eine großangelegte Oekologie, eine Lehre vom Gesamthaushalt der Natur, mit dem Blick auf die Ordnung und Ganzheit in der Welt, mit dem Streben, den Kosmos zu schauen. Wenngleich eine ausgesprochen aufbauende, synthetische Wissenschaft, unterschätzt sie durchaus nicht die analytische Forschung und die speziellen Naturwissenschaften; sie setzt sie vielmehr voraus und läßt ihnen ihre Sonderstellung. Daraus resultiert aber das Bild der lebenden Natur als eines wohlgeordneten, in steter Bewegung und Entwicklung begriffenen Ganzen, dessen einziger Sinn in der Erhaltung dieses Ganzen mit all seiner Dynamik liegt. Oekologie in diesem umfassendsten Sinn wäre also in Wahrheit eine „integrale“ Naturwissensch :ft. Aber als solche ist sie heute noch Programm, ein Ideal, das freilich helfen mag, das heutzutage so überwuchernde und ungesunde Spezialistentum zu überwinden.

Der Mensch und die Mikroben. Von Hugh N i c o 1. Rowohlts deutsche Enzyklopädie, Band 32. Rowohlt, Hamburg. 227 Seiten. Preis 1.90 DM.

Titel und Titelbild dieses Bändchens sind insofern etwas irreführend, als sie eine allgemeine Bakteriologie vermuten lassen, während es in Wirklichkeit nur die für das Gedeihen organischen Lebens unentbehrlichen Mikroben, insbesonders die Knöllchen-bakterien der Hülsenfrüchtler, zum Gegenstand hat. Es ist sicher zu begrüßen, daß damit die Bedeutung auch der sogenannten „harmlosen“, will sagen, der für die Erhaltung der Pflanzen- und Tierwelt und damit auch des Menschen unbedingt notwendigen Mikroben eindringlich herausgestellt wird. Bezeichnenderweise steht auf dem Hintergrunde dieser an Wiederholungen und sprachlichen Paradoxien reichen, und daher nicht immer leicht lesbaren Ausführungen die für den Briten charakteristische Besorgnis, ob die Steigerung der Nahrungsmittelerzeugung mit dem Wachstum der Erdbevölkerung auf die Dauer Schritt halten kann.

Die Kindheit der Tiere. Von Maurice B u r t o n. Rowohlts deutsche Enzyklopädie. Band 57. Rowohlt, Hamburg. 153 Seiten. Preis 1.90 DM.

Die Verhaltensforschung ist eine verhältnismäßig junge und in rascher Entwicklung begriffene Wissenschaft, die weit über den engen Kreis der zünftigen Fachwissenschaft hinaus größtes Interesse erfährt. Das vorliegende Bändchen greift aus den vielen zutage geförderten Tatsachen besonders die Frage heraus, was junge Tiere tun und warum sie es tun. Genauerhin enthält es eine Reihe eingehender Einzeldarstellungen von den ersten Phasen im Leben einiger ausgewählter Vögel und Säugetiere. Bemerkenswert ist die kritische Einstellung des Autors gegenüber dem sogenannten „biogenetischen Grundgesetz“. Wiederholt stellt er heraus, daß die vielberufenen „Ueberbleibsel“ aus der Stammesgeschichte, die man früher so gern zur Stützung der Abstammungstheorien heranzog, bestenfalls allgemeine Merkmale von kindlichen Lebensphasen und Gewohnheiten darstellen, von denen nur wenige bestimmte Rückschlüsse auf Herkunft und Abstammung zulassen.

Zoologie und das neue Bild des Menschen. Von

Adolf Portmann. Rowohlts deutsche Enzyklopädie. Band 20. Rowohlt, Hamburg. Preis 1.90 DM.

Das vorliegende Büchlein des bekannten Basler Biologen Portmann ist ein bemerkenswerter Ausdruck des tiefgreifenden Wechsels in der Betrachtung des Menschen. Während der Beitrag der Biologie zur Formung des Menschenbildes in der Vergangenheit darin bestand, die Verwurzelung des Menschen in einer tierischen Vergangenheit aufzuzeigen und die Gestalt des Menschen durch die Erforschung der Primaten zu begründen, so betont eine vorurteilsfreie, von den Erkenntnissen der Verhaltensforschung her inspirierte Zoologie gerade die Sonderart des Menschen. Was an diesem kleinen Bändchen am meisten imponiert, ist sicher die illusionslose, unvoreingenommen sachliche Kritik an den herkömmlichen Entwicklungslehren. Einerseits anerkennt Portmann durchaus, daß die Mutationslehre wohl ein Verständnis für weite Bereiche der tierischen und pflanzlichen Formveränderung in der Erdgeschichte bietet, aber anderseits scheut er auch nicht vor der Feststellung zurück, daß sie über den Ursprung der großen Organismengruppen, also gerade' der bedeutendsten Sonderheiten, keine Auskunft geben kann, ja, daß die Entwicklungslehren durch Ueberschrei-tung ihres Geltungsbereiches eine Antwort auf die schwierigsten Fragen der Lebensforschung vortäuschen und damit einen Erkenntnisfortschritt verhindern. Das sind mutige Worte, die gehört zu werden verdienen!

Die Natur und die Griechen. Von Erwin Schrödinger. Rowohlts deutsche Enzyklopädie. Band 28. Rowohlt, Hamburg Preis 1.90 DM.

Der Antagonismus zwischen Religion und moderner Naturwissenschaft ist eine vielberufene Tatsache, die gerade die größten unter den Naturforschern wie auch den Philosophen und den Theologen immer wieder beunruhigt und nach einer Ueberwindung der weltanschaulichen Gegensätze Ausschau halten läßt. Ist es ja doch nur zu wahr, daß eine, wenn auch noch so umfassende, ausschließlich naturwissenschaftliche Bildung niemals das Verlangen des Menschenherzens nach einer philosophisch und religiös fest fundierten Weltanschauung ersetzt und damit den Menschen auch nie restlos glücklich machen kann. Schrödinger sieht in der griechischen Philosophie das Vorbild eines harmonischen, wohl gegliederten Gebäudes aus Wissen und Nachdenken, das picht durch die obengenannte Spaltung belastet ist, Er empfiehlt .daher eine Rückwendung zu den Anfängen der griechischen Philosophie, um durch ihr Studium die Vorurteilslosigkeit und Unbefangenheit dieser ersten Denker wieder zu gewinnen. Ist nun aber die vorliegende Untersuchung wirklich ein Beitrag zur Versöhnung von Naturwissenschaft und Religion? Wir sind nicht dieser Ueberzeugung. Denn auf seinem Hintergrund zeichnet sich nur zu deutlich eine müde Resignation und eine unverhohlene Vorliebe für einen skeptischen Agnostizismus ab, der in einem seltsamen Kontrast zu der angestrebten Unbefangenheit und Vorurteilslosigkeit steht.

Leidenschaft zur kleinen Schöpfung. Von Evelyn Cheesman. Henry-Goverts-Verlag, Stuttgart. Preis 15.80 DM.

In der großen Gottesnatur ist nichts so unscheinbar und versteckt, als daß es nicht doch Liebhaber fände, die auch unter großen persönlichen Opfern dem Unbekannten nachspüren. Von solch einem Wissensdurst und Forscherdrang war Evelyn Cheesman schon von frühester Kindheit an erfüllt. Bereits als kleines Mädchen belauschte sie zu nächtlicher Stunde die Dachse im Wald; sie sammelte Schmetterlinge, Käfer, Glühwürmchen und Kröten. Ihr eigentliches Lebensziel erreichte sie, als ihr während des ersten Weltkrieges die Leitung des Insektenhauses im Londoner Zoo übertragen wurde und sie bald an einer Forschungsreise um die Erde teilnehmen durfte. Von nun an folgt Reise auf Reise: bald nach den Galapagos-Inseln und zu den Mar-quesas, dann zu den Gesellschaftsinseln, den Neuen Hebriden und Neuguinea. Von Asthma und Malaria geplagt, wird sie dennoch nicht müde, immer wieder von neuem mit ihrem Schmetterlingsnetz in die Urwälder der Küste und auf die Berge im Innern der Inseln vorzudringen. Von den Abenteuern dieser Reisen erzählt Evelyn Cheesman schlicht und bescheiden in dem vorliegenden Buch, das damit ganz ungewollt ihre große Leidenschaft zur kleinen Schöpfung zum Ausdruck bringt.

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