Fotojagd in Afrikas faszinierender Wildnis

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In der Masai Mara, dem "lebhaften Durcheinander", lassen sich alle Tiere der Steppe beobachten: von majestätischen Giraffen über bunte Paviane bis zu kämpferischen Büffeln.

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In der Masai Mara, dem "lebhaften Durcheinander", lassen sich alle Tiere der Steppe beobachten: von majestätischen Giraffen über bunte Paviane bis zu kämpferischen Büffeln.

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Es ist halb sechs Uhr abends. In einer halben Stunde wird es dunkel, und wir suchen mitten in der afrikanischen Steppe noch immer einen Löwen. Die von den langen Regenfällen aufgeweichte Piste wird zunehmend schlammiger, die Fahrtrillen tiefer und außer uns ist kein anderes Fahrzeug zu sehen. Eine Furt und einen Hügel noch. Doch plötzlich rutscht das Fahrzeug, die Räder drehen durch und dann geht nichts mehr. 30 Minuten vor Einbruch der Dunkelheit sitzen wir fest. Aussteigen ist strengsten verboten, hat man uns eingeschärft. Wir sind in keinem Streichelzoo, sondern in der Wildnis, in der nun gleich die nächtliche Pirsch der Raubtiere beginnt.

Gain, der Fahrer, muß aber aussteigen, und wir hoffen, daß uns die Löwen und Leoparden noch nicht entdeckt haben. Während er den schweren Wagen hochhievt, um Äste und Steine unter die Räder zu legen, überlege ich, wann man uns vermissen wird. Funkgerät haben wir keines. Die Wasserflasche wird bis zum Morgen reichen, doch kalt wird es werden.

Die Sonne steht nun ganz tief. Eine atemberaubende Stimmung. Die Luft flimmert in Pastelltönen, der Horizont ist düster, lange Sonnenstrahlen tauchen die einzelnen Affenbrotbäume in sanftes gelbes Licht. Ein ganz reales Abenteuer, denn unser Landrover hat sich mittlerweile bis zur Achse eingegraben. Noch einmal von vorne.

Fünf Minuten von hier haben wir ein Rudel Hyänen gesehen, sie werden bald auf Jagd gehen. Die drei Geparden vom Nachmittag sind etwas weiter weg, doch sie können schneller laufen. Bei 120 Kilometer in der Stunde sind sie in eins, zwei da. Wo wohl der Geier ist, der vorhin im Geäst eines hohen Baumes lauerte?

Vor und zurück. Aufschaukeln. Das Auto hat wieder Steine unter den Rädern, und wir sind frei. Die Dämmerung kommt schlagartig. Nur jetzt nicht noch einmal stecken bleiben.

Wir sind am Morgen von Mombasa in die Masai Mara, die kenianische Seite der berühmten Serengeti, gekommen. Das Mara Buffalo Camp liegt am inneren Rand des Tierschutzgebietes. Die 20 komfortablen Hütten stehen direkt am Mara Fluß, mit Aussicht auf die wild schnaubenden Flußpferde. Die Mara führt Hochwasser. Schmutzig und tiefbraun. Von den Flußpferden sind nur die Nüstern zu sehen. Die Kolosse sind fast ganz verschwunden, tauchen auf, schnaufen und sind wieder im braunen Wasser verschwunden.

Wir werden ermahnt, unsere Hütten nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr zu verlassen. Das Mara Buffalo Camp ist im Gegensatz zu anderen Lodges nicht durch einen elektrischen Zaun gesichert. Flußpferde, Löwen, Hyänen und selbst Elefanten sollen nachts schon dagewesen sein. Selbst den kurzen Weg vom abendlichen Lagerfeuerplatz zur Hütte soll man nur in Begleitung eines Einheimischen zurücklegen. Dieser Waiter ist mit einem Holzstab "bewaffnet". Was er tun würde, wenn nun ein Löwe käme, frage ich ihn. Artgerecht verhalten, antwortete er mir: Stehen bleiben und nicht bewegen, bis der Löwe wieder geht.

Auf der kleinen Veranda vor der Hütte ist man aber sicher. Die Tiere sollen diesen menschlichen Bereich respektieren. Gefährlicher als die "big five", Löwe, Leopard, Büffel, Elefant und Nashorn, die den Menschen normalerweise nicht angreifen, sind die Schlangen. Im Camp gibt es deshalb ein Dutzend halbwilder Katzen. Sie sollen die Mäuse erlegen, sodaß das Revier für die Schlangen uninteressant bleibt.

Die 1.820 Quadratkilometer großen Masai Mara Game Reserve ist für die Wanderung der Gnus berühmt. Jahr für Jahr kommen im Spätsommer Hunderttausende (!) von Tieren aus der Serengeti in die fruchtbare Mara.

In der Masai Mara, dem "lebhaften Durcheinander", leben 1,4 Millionen Gnus, 500.000 Gazellen, 20.000 Zebras und 64.000 Antilopen. In unserem geländegängigen "Cabrio" vergessen wir fast, daß wir in der Wildnis sind, daß es hier nur das Gesetz von "Fressen und gefressen werden" gibt. Bei einem kleinen Wasserloch treffen wir auf die heimlichen Herrscher des Kontinents: die afrikanischen Elefanten, die größten Landtiere. Acht Meter lang, vier Meter hoch und vier Tonnen schwer ... Gut, daß sie Vegetarier sind.

In den nächsten zwei Stunden treffen wir fast alle Bewohner der Steppe: Die anmutigen Thompson-Gazellen mit ihren kunstvoll geschwungenen Hörnern, die wohlgenährten Zebras, die umtriebigen Warzenschweine, die häßlichen Hyänen, die bunten Paviane, die majestätisch schreitenden Giraffen und die aggressiven Büffel, vor denen auch unser Fahrer Respekt hat. Einem Eisberg gleich liegen sie in einem Seitenarm des Mara Flusses. Nur die Augen und die Nase sind zu sehen, der massige Körper verschwindet ganz im Wasser. Sie sind aber noch gefährlicher als Krokodile, da sie auch dann angreifen, wenn sie satt sind.

Im hohen Gras schläft eine Löwin. Zwei Leoparden belauern eine Gnu-Herde und lassen sich von uns nicht stören. Sie sind die eigenartig lärmenden, unförmigen grünen Autos längst gewohnt und haben sie wahrscheinlich als ungefährlich, aber nicht eßbar eingestuft. Wir sehen Geparde, Antilopen und Geier, nur ein Löwe fehlt uns noch.

Die Nacht kommt schnell in den Tropen. Es ist stockdunkel, als wir in die Lodge zurückkehren. Nach unserem Abenteuer mit dem festgefahrenen Auto, sind wir froh, wieder "daheim" zu sein.

Den König der Steppe treffen wir erst am nächsten Morgen. Wir sind schon um sechs Uhr mit der ersten Dämmerung aufgebrochen. Frühmorgens sind die Wildkatzen am aktivsten. Nach einer halben Stunde haben wir Erfolg. In einem mannshohen Gebüsch genießt eine Löwenfamilie die ersten Sonnenstrahlen. Die Löwinnen, kraftvolle Muskelpakete, sehen eigentlich gefährlicher aus. Sie kommen ganz nahe, schnuppern an der - hoffentlich gut - verschlossenen Wagentüre. Dann trotten sie dem König nach.

Wir haben fast alles gesehen, von den "big five" fehlt uns nur das Nashorn. Vielleicht nächstes Jahr in der Serengeti.

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