Der Herr des Urwaldes

19451960198020002020

Im Mgahinga National Park von Uganda begegnen einander Berggorillas und fotohungrige Touristen

19451960198020002020

Im Mgahinga National Park von Uganda begegnen einander Berggorillas und fotohungrige Touristen

Werbung
Werbung
Werbung

Wenn ihr merkt, dass euer Nachbar Angst bekommt und wegrennen will, müsst ihr ihn unbedingt festhalten. Man darf den Gorillas nie zeigen, dass man Angst hat!" Vor dem Aufbruch in den Regenwald, werden den Besuchern die Verhaltensregeln eingeschärft.

In Gegenwart der Gorillas darf man weder essen noch trinken und muss leise sprechen. Maximal sechs Touristen dürfen jeden Tag zu den Berggorillas, und die "Besuchszeit" ist auf eine Stunde beschränkt. Zu sehr sollen die Tiere, die im Mgahinga Gorilla National Park im Südwesten Ugandas an Besucher gewöhnt sind, nicht gestört werden. Ein Mindestabstand von fünf Metern sei empfehlenswert, berühren darf man sie auf keinen Fall. Eine wichtige Schutzmaßnahme, denn Mensch und Gorilla sind genetisch so eng miteinander verwandt, dass sich leicht Krankheiten übertragen könnten. Ein Husten oder ein Infekt, den ein Besucher einschleppt, könnte für einen der weltweit letzten 600 Berggorillas das Todesurteil bedeuten.

Die würzige Luft, das Licht des frühen Morgens und das gleichmäßige Atmen von Vorder- und Hintermann - der Gorillabesuch beginnt wie eine Bergwanderung in den Alpen. Doch die acht Soldaten, mit Tarnanzug und AK 47-Sturmgewehr über der Schulter, erinnern daran, dass wir in Uganda sind, im Grenzgebiet zu Ruanda und zum Kongo. Seit Touristen beim Gorillabesuch von Rebellen ermordet wurden, will man kein Risiko eingehen. Schließlich sind die Ausländer hochwillkommene Devisenbringer. 195 US-Dollar kostet das Vergnügen pro Nase - Geld, das das arme Land am Äquator dringend nötig hat ...

Plötzlich kracht es im Unterholz. Ein Schreck durchfährt die ganze Mannschaft. Die Soldaten bringen ihre Gewehre in Anschlag. Ein kurzer Wortwechsel unter den Soldaten, dann klacken sie mit den Abzügen ihrer Gewehre und verscheuchen den "Angreifer" - einen wilden Büffel, der schnell das Weite sucht. Zu schnell für einen Schnappschuss. "Wie finden wir eigentlich die Gorillas, wie alt werden sie, was fressen sie?" Benjamin, der ugandische Wildhüter, gibt auf alle Fragen bereitwillig Antwort. Das Finden, meint er, sei ganz einfach. "Wir gehen zu der Stelle, an der wir sie gestern gesehen haben, folgen dann der Spur bis zu ihrem Nachtlager. Und wenn wir das gefunden haben, dauert es nicht mehr lange, bis wir bei ihnen sind." Rund 25 Kilogramm Grünzeug pro Tag verputzt ein "Silberrücken", ein geschlechtsreifes Männchen. Der Ausdruck "Männchen" ist vielleicht nicht ganz treffend, immerhin ist ein "Silberrücken" 1,70 bis 1,80 Meter groß und bringt bis zu 275 Kilogramm auf die Waage. Die Gegenwart der Soldaten hat doch etwas Beruhigendes an sich.

"Halt! Mein Revier" Wir sind mittlerweile im dichten Urwald angekommen. Der Soldat an der Spitze unseres Zuges kämpft sich mit seinem Buschmesser durch Lianengestrüpp und Farnwälder. Es geht ständig bergauf, das Vulkanmassiv der Virungas empor. Die Luft ist feucht und modrig, die Kleidung klebt unangenehm auf der Haut. Doch die abwechslungsreiche Vegetation und die farbenprächtigen Vögel lassen die Strapazen vergessen. Der Wildhüter entdeckt die "Nester" der Gorillas - Schlafplätze aus zurechtgebogenen Bambuszweigen. "Jetzt kann es nicht mehr lange dauern" muntert Benjamin die Gruppe auf. Tatsächlich, nach weiteren zehn Minuten treffen wir auf Mark, den jüngeren der Tiere. Gemütlich liegt er auf dem Rücken, hält sich den Unterarm gegen die blendende Sonne vor die Augen und genießt es offensichtlich, der Star der fotohungrigen Touristengruppe zu sein. Die Fotoapparate klicken im Rhythmus der Herzen, die vor Aufregung auf Hochtouren laufen. Die ersten Filme sind verschossen, da richtet sich Mark auf. Scheu weichen die Vordersten an der Fotofront zurück. Mark - sich des ihm erwiesenen Respektes anscheinend voll bewusst - verlässt den Freiluft-Laufsteg durch das dichte Unterholz und geht zum Rest der Gorilla-Gruppe. Wildhüter und Touristen folgen. "Familienmitglied auf Zeit", das ist das Grundgefühl der folgenden Stunde. Hautnah erleben wir die Alltagsszenen der Gorillas. Die zwei Babys, die erste, unbeholfene Kletterversuche unternehmen und immer wieder von den Zweigen purzeln. Die Mütter, die sie trösten und aufmuntern. Die zwei Jugendlichen, die - wie es sich für Halbstarke gehört - mit viel Gegröle einander zu imponieren versuchen, mal kämpfen, sich dann wieder kameradschaftlich den Arm über die Schulter legen. Von jugendlicher Neugier getrieben, hätten sie gerne ein wenig in den Touristen-Rucksäcken gestöbert. Doch der Wildhüter weist sie mit energischem Klopfen auf den Boden in ihre Schranken. "Halt! Hier ist mein Revier!" bedeutet das Klopfen in der Gorillasprache. Beneidenswert, diese Autorität in der Familie!

"Muzungu! Muzungu" Die Tiere sind voll und ganz mit dem Verdauen ihrer Blätterkost beschäftigt. Nur wenn die Jugendlichen etwas zu übermütig und zu lautstark werden, richten sie sich kurz auf, und sorgen mit ein paar Drohlauten für Ruhe im Clan.

Der Mgahinga-Nationalpark stellt nicht nur für Gorilla-Freunde ein lohnendes Ziel dar. Natur pur ist schon auf dem Camp am Eingang des Parks zu genießen. Entweder im eigenen Zelt oder in sehr bescheidenen Stroh-Lehmhütten kann man hier erholsame Tage am Fuß des Virunga Vulkanmassivs verbringen. Wem Spaziergänge in die umliegenden Dörfer zu erholsam sind, oder wer sich am freudigen "Muzungu, Muzungu! ("Weißer, Weißer!") der Kinder sattgehört hat, kann die Vulkane besteigen. Entweder der Mount Gahinga (3475 Meter) oder den von einem Kratersee gekrönten Mount Muhabura (4127 Meter). Mount Muhabura liegt genau auf der Grenze zu Ruanda, sodass man bei einer Umrundung des Sees einen Abstecher nach Ruanda unternimmt. Beim rund fünfstündigen Aufstieg werden mehrere Klimazonen durchwandert. Die exotische Vegetation ändert sich ständig. Die beiden eintägigen Touren sind nur mit Begleitung durch Wildhüter und Soldaten möglich. Völlig frei bewegen kann man sich hingegen in den meisten anderen Nationalparks.

Mit seinen 2000 Quadratkilometern gilt der Queen Elisabeth National Park im Westen des Landes als einer der größten Ugandas und zählt zu den artenreichsten und am besten geführten in ganz Afrika. Besonders die Freunde von Flusspferden und die "bird-watcher" kommen hier voll auf ihre Kosten. Eine Bootsfahrt auf dem Kazinga-Kanal, der Lake George und Lake Edward verbindet, sollte man sich auf keinen Fall entgehen lassen. Denn sie bietet Gelegenheit, mehrere Hundert Flusspferde aus nächster Nähe zu bestaunen. Daneben tummeln sich Elefanten, Wasserbüffel, Echsen, Krokodile und vor allem Hunderte von Vogelarten am Wasser. Die gut ausgebildeten Wildhüter, die die Fahrt begleiten, zeigen den Besuchern mindestens 50 verschiedene Vogelarten. Insgesamt beherbergt der Park über 300.

Entspannung nach der fotografischen Großwildjagd bietet die im Zentrum des Parks gelegene exklusive Mweya-Lodge, das beste Safarihotel Ugandas. Wenn man hier mit Blick auf Elefanten und Flusspferde seinen Sonnenuntergang genießt, vielleicht einen Waragi-Tonic, den einheimischen Bananenschnaps vor sich, stellt sich unwillkürlich das Gefühl von "Out of-Africa"ein.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung