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Feldzug bis in die Chefetagen

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Ihr Ziel ist die Weltherrschaft. Deshalb greift Scientology nicht nur nach den Menschen, sondern auch nach Macht und Reichtum. Immer mehr drängt die Sekte in die Unternehmen.

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Ihr Ziel ist die Weltherrschaft. Deshalb greift Scientology nicht nur nach den Menschen, sondern auch nach Macht und Reichtum. Immer mehr drängt die Sekte in die Unternehmen.

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In Deutschland beginnt man, sich gegen die Machenschaften der Scientology Church und ihre gezielte Unterwanderung der Wirtschaft zu wehren. In Osterreich sieht man noch keinen Handlungsbedarf.

Den Grund dafür sieht der Schweizer Journalist und Sektenforscher Hugo Stamm, der kürzlich im Oberösterreichischen Presseklub in Linz über Scientology als Gefahr für die Gesellschaft und für die Wirtschaft sprach, darin, daß Österreich nicht so wohlhabend wie die Schweiz und „Scientology” ein Luxuskult sei.

„Erobern Sie, egal wie, die Schlüsselposition, die Position als Vorsitzende des Frauenverbandes, als Personalchefeiner Firma, als Leiter eines guten Orchesters ... Verdienen Sie sich einen ordentlichen Lebensunterhalt damit, fahren Sie einen guten Wagen, aber bringen Sie Ihre Aufgabe über die Bühne, handhaben und bessern Sie die Leute, denen Sie begegnen, schaffen Sie eine bessere Welt.” Der 1986 verstorbene Gründer der Scientology Church, L. Bonald Hubbard, von Beruf Sciencefiction-Autor, hat seinen Anhängern ideologisch eingeschärft, wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Als Instrument dazu hat Hubbard „die einzig voll funktionstüchtige, systematisch aufgebaute und um-. fassende administrative Technologie auf diesen Planeten” entwickelt.

Scientologen stehen unter Erfolgszwang. Wollen sie das versprochene Paradies, „Thetan” (die höchste Stufe des Bewußtseinszustandes), erreichen - und daß sie es wollen, dafür sorgen „Auditings”, höchst umstrittene, „persönlichkeitsbildende” Kurse — müssen sie als einfache Mitglieder am Erfolg der „Kirche” kräftig mitarbeiten (oft bis zu 70, 80 Stunden in der Woche für rund 1.000 Schilling) oder als Geschäftsleute kräftig mitzahlen. Ein Bückzug ist praktisch unmöglich.

Das brutale Vorgehen der Aum-Sekte in Japan hat der Öffentlichkeit wieder in erschreckender Weise klar gemacht, daß Psychokulte, die ihre Mitglieder mit persönlichkeitsverän-dernden Psychotechniken zu willenlosen Instrumenten machen, eine ernste Gefahr sind. Hier handelt es sich nicht mehr um ein Grüppchen Verblendeter, die einem Führerkult erlegen sind, der mitunter tödlich sein kann (Davidianer in Wako, Sonnentempler in der Schweiz), hier morden Menschen im Auftrag eines größenwahnsinnigen Sektengurus, werden Weltherrschaftsansprüche gestellt.

Psychologiegruppen, die mit gruppendynamischen Prozessen und eigenen Therapieformen ihren Mitgliedern zu einem höheren, sprich dem „richtigen” Bewußtsein verhelfen wollen, tarnen sich gerne als Kirche und nehmen die freie Kultausübung für sich in Anspruch; oder als gemeinnütziger Verein die Steuerfreiheit. Beides stimmt für Scientology nicht, belegt Sektenforscher Stamm -Feindbild Nummer eins der Scientologen - mit authentischem Material und Originalzitaten des Sektengründers. Scientology ist ein straff organisiertes Wirtschaftsunternehmen, das Provisionen austeilt und Provisionen einstreift. Eine der Organisationen, deren Aufgabe es ist, die „administrative Technologie” von L. Ron Hubbard in der Gesellschaft zu etablieren, ist das „World Institute of Scientology Enterprises” (WISE), die Weltvereinigung der Scientology-Unternehmer. Während es in der Schweiz, laut WISE-Mitgliederliste 1992 (der letzten, die gedruckt wurde) einige hundert Mitglieder gibt, sind in Osterreich etwa ein Dutzend namentlich bekannt. Darunter ist das in der WISE-Mitgliederzeitung hochgelobte Wiener Unternehmen „New Business Success”, das ein „wildes, energiegeladenes, direktes, unkompliziertes Verkaufsseminar” anbietet und auch in den östlichen Nachbarländern und in Japan vertreten ist. Es gehört als einziges Unternehmen in Österreich zu den Firmen, die als „Patrons” 40.000 Dollar jährlich in die „Kriegskasse” von Scientology zahlen.

Im März hat das Bundesarbeitsgericht in Kassel Scientology als „Gewerbe” eingestuft und der Klage eines ehemaligen Scientologen nach angemessenen Lohnersatz für die bei der Organisation hauptamtlich geleisteten Arbeit stattgegeben. Der Richter befand, das Auftreten von Scientology als Kirche diene lediglich als Vorwand, um wirtschaftliche Interessen zu verfolgen (Austria Presse Agentur vom 22. März 1995). Ein Spruch, zu dem man übrigens auch schon in Spanien gekommen ist.

In Hamburg haben sich die Maklerverbände zusammengeschlossen, um die aggressiven „Entmietungs-methoden” der Scientologen und deren Helfer bei der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen anzuprangern, hieß es kürzlich in der deutschen Wochenzeitung „Die Woche”.

Norbert Blüm, deutscher Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, tritt vehement für ein Verbot von Scientology ein. In einem „Woche”-Artikel warnt er: „Hier hat sich eine imperialistische Organisation aufgemacht, Unternehmen zu unterwandern und Menschen zu manipulieren. Sie strebt in der Wirtschaft nach Macht, indem sie ihre Mitglieder in Personalabteilungen und Betriebsräte einschleust... Nach Bekenntnissen von ehemaligen Scientologen besteht die Gefahr, daß Mitglieder, die an Missionserfolgen und Einnahmen gemessen werden, im Auftrag der Organisation ihre Firmen schädigen. Dazu gehören die Veruntreuung von Geld oder Informationen ... Auf der Strecke bleiben immer wieder geschädigte, zum Teil konkursreife Firmen und seelisch wie finanziell ruinierte ehemalige Anhänger.”

Rein rechnerisch ist alles klar: Soll unser Pensionssystem finanzierbar bleiben und der Staatshaushalt wieder ins Gleichgewicht kommen, werden wir länger arbeiten müssen. Unglücklicherweise deckt sich der Wunsch der Versicherungsmathematiker so gut wie gar nicht mit dem Wunsch der meisten Österreicher, eher früher denn später in Pension zu gehen.

Bislang ist sogar gescheitert, wenigstens das tatsächliche und gesetzliche (60 beziehungsweise 65 Jahre) Pensionsanfallsalter heranzuführen. Erst dieser Tage rüffelte uns die OECD (die Organisation für wirtschaftliche Kooperation und Entwicklung der 25 größten Industriestaaten) dafür, daß bei uns ein Jahr vor dem gesetzlichen Pensionsalter nur mehr acht Prozent der Männer und 17 Prozent der Frauen im Arbeitsleberustehen.

Ich glaube nicht, daß dafür überdurchschnittliches Arbeitsleid verantwortlich ist - eher überdurchschnittlicher Wohlstand: Man kann sich den Einkommensverlust gegenüber dem Aktiveinkommen leisten. Und will nicht nur „haben”, sondern auch „sein”. Ich persönlich glaube nicht, daß sich diese Einstellung sobald ändern wird, weshalb Sozial- und Finanzpolitik vor einer kaum lösbaren Aufgabe stehen.

Die Arbeitgeber fordern zwar aus gesamtwirtschaftlichen Gründen stets die Anhebung des Pensionsalters, im eigenen Unternehmen widersetzen sie sich freilich selten dem Wunsch des Arbeitnehmers nach Frühpension:

Der Wettbewerb ist härter geworden, und junge Arbeitskräfte sind billiger - und oft auch produktiver. Verflacht man aber, wie derzeit diskutiert, die Lebenseinkommenskurve (= keine automatische Einkommenssteigerung mit steigendem Alter), um der Altersarbeitslosigkeit entgegenzuwirken, sinkt auch der Anreiz länger zu arbeiten.

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