Demokratie unter Druck
DISKURSUngarn: Wahlen im Schatten des Krieges
Der Angriffskrieg Russlands in der Ukraine hat Ungarns Regierung in Schwierigkeiten gebracht. Erstmals seit Jahren ist unsicher, ob sich Viktor Orbáns Partei weiter an der Macht halten kann.
Der Angriffskrieg Russlands in der Ukraine hat Ungarns Regierung in Schwierigkeiten gebracht. Erstmals seit Jahren ist unsicher, ob sich Viktor Orbáns Partei weiter an der Macht halten kann.
Fünf Tage nach Beginn der blutigen Invasion fuhren András, seine Frau und die vier Kinder mit ein paar Habseligkeiten von Baragowo in der Westukraine nach Budapest. Hier wohnen sie nun zusammengedrängt in der Wohnung eines Freundes und sitzen auf Plastiksesseln, die gerne umkippen. Ilona, die 17-jährige Tochter, kann sich leidlich auf Englisch verständlich machen. Sie lernt Buchhaltung und glaubt, dass sie nach ihrem Abschluss einen Job finden wird. Auch der 56-jährige Schlosser und Schweißer András macht sich keine Sorgen um seine berufliche Zukunft. In Ungarn herrscht Fachkräftemangel. Und als Angehörige der ungarischen Minderheit haben sie keine Verständigungsprobleme.
Ungarns Premier Viktor Orbán hat in den letzten Jahren die magyarischen Minderheiten in den Nachbarländern mit großzügigen Subventionen aus den EU-Töpfen bedacht. Schulen und Kindergärten wurden gebaut, Tourismus und Ackerbau gefördert. Außerdem bekamen sie das Wahlrecht in Ungarn und liefern regelmäßig zwei Abgeordnete für das ungarische Parlament. Die sichern die Zweidrittelmehrheit, die es dem Nationalkonservativen erlaubt, wie ein Autokrat zu regieren.
Neue Wähler für Orbán
Über 300.000 Flüchtlinge aus der Ukraine sind in den letzten Wochen in Ungarn registriert worden. Ohne die Zivilgesellschaft und die bisher von der Regierung geschmähten NGOs wäre das Land dem Ansturm völlig hilflos gegenüber gestanden. Gelder, die für Flüchtlingshilfe bestimmt waren, wurden in Ungarn mit einer 85-prozentigen Steuer belegt, Flüchtlingsquartiere aufgelöst. Premier Viktor Orbán ist durch den russischen Angriffskrieg in ein Dilemma gestürzt worden. In der EU ist Orbán Putins bester Freund. „Noch wenige Tage vor der Invasion der Ukraine war er in Moskau und hat fünf Stunden mit Putin gesprochen.
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