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Aus dem Stegreif

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Eine der interessantesten Premieren der Spielzeit 1961/62 im Berner Stadttheater ist zweifellos die Komödie von Luigi Pirandello, „Heute abend wird aus dem Stegreif gespielt“, unter der Regie von Ettore Cella und unter Mitwirkung des gesamten Ensembles. — Das Stück ist Max Reinhardt gewidmet und wurde gleichzeitig im italienischen Original und in der deutschen Übersetzung 1930 uraufgeführt. Während die italienische Inszenierung unter Piran-dellos Regie mit Marta Abba in der Hauptrolle großen Erfolg erntete, kam es bei der deutschen Uraufführung zu einem Theaterskandal, da das Spiel der Darsteller iw Zuschauerraum und im Foyer neue Forderungen an das Publikum stellte.

Pirandello sagt: „Nur unter einer Bedingung, Signori, kann etwas, was die Kunst in die Unabänderlichkeit einer Form gebannt hat, in Leben übersetzt, wieder in Bewegung umgesetzt werden: unter der Bedingung, daß es von uns seine Bewegung erhält, ein jeweils verschiedenes, Wechsel volles, augenblickliches Leben: jenes Leben, das jeder von uns ihm zu geben imstande ist. Wenn ein Kunstwerk weiterlebt, so ist es nur, weil wir es noch aus der Festgelegtheit seiner Form herausbringen können. Weil wir diese Form in uns selbst zu lebendiger Bewegung erlösen können. Das Leben geben wir ihm.“

Die Berner Aufführung hatte im Gegensatz zu der damaligen ein schon vorbereitetes Publikum in Aktion zu setzen. Heute isr die - tftrochrehtrnR, des BühneMabmens bereits ein wesentlicher Faktor des modernen Dramas. Die Tatsache, daß die Inszenierung wirklich die Worte des Dichters erfüllt und bestätigt, spricht ebenso deutlich für die überzeugende Kraft seines Werkes wie für die Fähigkeit der Schauspieler, für den richtigen Impuls und die sichere Führung des Regisseurs und nicht zuletzt das Entgegenkommen eines Publikums, das die Eigenart dieser Komödie nicht bloß aufzunehmen imstande war, sondern sich zu beteiligen bereitfand. Der Dramatiker Luigi Pirandello hat die fünfundzwanzig Jahre seit seinem Tode (aus diesem Anlaß fand kürzlich ein Kongreß in Venedig statt) als ein geistig Lebendiger überstanden und in manchem Ansatz und Einsatz seiner Gedanken einen wesentlichen Anteil an der Haltung des Theaters von heute und seiner Entwicklung.

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