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Verdis „Don Carlos“ als Eröffnungspremiere

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Karl V., Mönch zu San Yuste, sagt es: „Dei Erde Schmerz und Wehe durchdringt des Klosters Mauern“ und bewahrt den unglückseligen Enkel vor dem Zugriff der Inquisition. Bei Verdi, bei seinen französischen, Schillers Drama gescheit lapidarisierenden Librettisten Joseph Mery und Camille du Locle. Die Partitur dieser Siebenbilderoper spiegelt in ihrer genialen melodischen Erfindung, in ihrer persönlichen Harmonik und ihrer eigenwilligen, weit über die Romantik hinausgreifenden Instrumentation dieses Leid: Es gibt keine „glückliche“ Gestalt hier, mag man das Personenverzeichnis von eben diesem Karl V. bis zum letzten flandrischen Deputierten durchforschen. Einzig die „Stimme vom Himmel“ leuchtet im Autodafeakt auf und tröstet. Wie so viele große Kompositionen des neunzehnten Jahrhunderts ist auch diese Musik den Werkelmännern auf der Straße und im Opernalltag zugefallen. Sie haben es auf dem Gewissen, daß unserer Generation Verdi entglitt. Das Salzburger Ereignis am vergangenen Samstag war die Restitutio des Werkes. Ihr Subjekt, der Willensträger dieser Erneuerung, dieser glanzvollen Wiederherstellung war Herbert v. Karajan. Die Dirigentenleistung an sich war von unüberbietbarer Meisterschaft. Sie stützte sich auf ein erlesenes Sclistenensemble und auf die sich selbst übertreffenden Philharmoniker.

Schwerer hatte es Gustaf Gründgens mit der Simultanbühne der Felsenreitschule. Caspar Neher war der Schöpfer des Bühnenbildes und der Kostüme. Beide haben den Einheitsort „besiegt“. Das Autodafebild führte den Beweis. In der Personalrcjie störten Eigenwilligkeiten, wie Philipps Schachspiel in der entscheidenden Unterredung mit Posa oder des Königs Auftritt während des Vorspiels zum Monolog. Dafür entschädigten die erfolgreiche Bekämpfung der konventionellen Statik in den Ensembles: dem Zuhörer wurde vom Spiel her niemals ein Terzett oder Quartett als festgefügte „Nummer“ bewußt. Freilich: Nicht jeder der Sänger war eine Persönlichkeit vom Schlage einer Simionato (Eboli), einer Jurinac als Elisabeth und eines Cesare Siepi als Philipp II. (der bisweilen die Maske des Greises fallen ließ). Wer aber Nur-Sänger war, fand sich von unsichtbaren Fäden gezogen, ohne daß das Gros des Publikums den „Popenspäler“ merken mußte.

Nicola Zaccaria war ein stimmlich mächtiger Karl V.. Eugenio Fernandi in der Titelrolle gab in seiner Erscheinung einen Kontrapunkt zur Idealvorstellung eines Carlos. Seiner Gewichtigkeit stand in Ettore Bastianini ein mächtiger Posa gegenüber. Marco Stefanonis Großinquisitor trug in Stimme und Spiel der südländischen Verdi-Auffassung dieser Figur Rechnung: Wir haben es da in der Oper ..Don Carlos“ nicht mit dem Symbol der Macht, sondern mit einer Zentralgestalt, die der Macht verfallen ist, zu tun.

„Othello“ und „Falstaff“ ist nun „Don Carlos“ im Spielplan der Salzburger Festspiele gefolgt. Der Drang großer mitteleuropäischer Musiker, wie Furt-wängler und Karajan, nach dem Süden entspricht dem historisch gewordenen Hang eines Toscanini, der sich Wagners „Meistersinger“ in der Mozartstadt nicht entgehen ließ.

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