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Zweimal Verdi

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Im Zuge der Verdi-Renaissance der Wiener Staatsoper (in italienischer Sprache) hörten wir „Ein Maskenball“ unter der musikalischen Leitung Oliviero de F a b r i t i i s (a. G.), mit Mirella Pa-ruto als Amelia. Der Dirigent ist ein handfester Praktiker, der seinen Verdi ohne besondere Mätzchen, aber auch ohne besondere Eigentümlichkeiten musiziert. Mirella Paruto bringt, von einigen schrilleren Tönen in der hohen Lage abgesehen, eine gutgeführte, sympathische, nicht sehr große und nicht sehr durchschlagskräftige Stimme mit. Die übrigen Hauptrollen lagen, mit Ausnahme des Pagen Oscar, den dre liebenswürdige Liselotte Maikl sehr liebenswürdig sang, in den bewährten (italienischen) Händen: Giuseppe Zampieri (Richard), Aldo Protti (Rene) und Giulietta Simionato (Ulrica), die ihre einzige Szene zum Ereignis zu gestalten verstand. Davon abgesehen, stand die Aufführung im Zeichen einer ereignislosen Repertoirevorstellung. F. K.

„Don C a r 1 o s“ im großen Haus am Ring. Diese Premiere war sehr? charakteristisch für den gegenwärtigen Aufführungsstil der Wiener Staatsoper. Man kann sie, obwohl der künstlerische Leiter nicht selbst am Pult stand und auch nicht Regie führte, geradezu als den Modellfall einer Karajan-Premiere bezeichnen. Da ist zunächst das internationale Starensemble, die Glanzbesetzung aller wichtigen Partien: Boris Christoff als König Philipp IL, Sena Jurinac — Elisabeth von Valois, Hans Hotter — Großinquisitor, Giulietta Simionato — Prinzessin Eboli, und Eberhard Wächter — Marquis von Posa. Fla-viano Labo als Don Carlos war für den erkrankten John Wickers eingesprungen und konnte nur stimmlich einigermaßen befriedigen. Die Kostüme von Georges Wakhewitsch waren von noblem Prunk, seine Bühnenbilder massiv und realistisch, die Regie Margarethe Wallmanns im ganzen konventionell, in vielen Details ungeschickt. (Die Pantomime der Einkleidung Karls V. zu Beginn wirkte allzu flott und ballettmäßig: der erste Abgang deä Freundespaares Carlos-Posa, rechte Hand auf der linken Schulter, war altes Theater, und nicht vom besten; die malerisch am Boden gruppierten und sich fächelnden Hofdamen blieben beim Eintritt der Königin einfach sitzen und

neigten nur zierlich ihre Häupter, anstatt sich — wir sind immerhin in Spanien — zum Hofknix zu erheben; der kreidebleich geschminkte Großinquisitor in einem Phantasiegewand schien einem Grand-Guignol-Stück entstiegen, und vieles andere mehr...)

Im ganzen: kulinarische Oper in Reinkultur, ungeistig und ohne auch nur für Minuten wirklich zu fesseln. Leider ging auch vom Dirigenten Oliviero de F a b r i-t i i s weder Faszination noch Spannung aus. Immerhin leitete er Orchester, Chor und Solisten sicher und routiniert, musizierte nie grob und war den Sängern ein aufmerksamer und flexibler Begleiter.

Durch eine jener merkwürdigen „zufälligen“ Fügungen (die aber meist nicht Zufall, sondern Hinweis, Mahnung und Vorwurf sind) geschah es, daß am Abend nach, dieser Premiere im Österreichischen Rundfunk unter der Leitung des Komponisten Ernst Kreneks zweiaktiges Bühnenwerk mit Musik „Karl V.“ gesendet wurde, jenes Werk, das vor nunmehr bald 30 Jahren für die Wiener Staatsoper — als Auftragswerk I — geschrieben und in diesem Haus noch riie aufgeführt wurde. Aber daran erinnert sich wohl niemand mehr. Vielleicht gräbt man statt dessen, dringendem kulturellem Bedürfnis abzuhelfen, einen unbekannten Verdi aus. Die bekannten Verdi-Opern hätten wir ja jetzt so ziemlich vollzählig im Repertoire.

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