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Aus Italien

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Unser Verhältnis zur italienischen Musik ist deshalb so lebendig, weil ihr Reichtum und ihre Vielfalt jedem unserer Interessen Anregung zu bieten hat. War dieses während der vergangenen Jahrzehnte mehr auf Verdi und den Verismus gerichtet, so wendet es sich heute besonders Pale-strina, Monteverdi, Pergolesi sowie unseren Zeitgenossen zu. Der neue kirchenmusikalische Stil, das zeitgenössische Musiktheater, das konzertante Musizieren und die in der Gegenwart erneuerte Form des Concerto grosso wurden durch große italienische Vorbilder angeregt und legitimiert. So wird jede Begegnung mit italienischer Musik zur Bestätigung zeitgenössischer Bemühungen und regt Zürn Vergleich sowie zur Ueberprüfung des Erreichten an.

Das vom letzten “Musikfest her wohlbekannte und vielgerühmtc Collegium musicum i t a l i C u m besteht aus zwölf Musikern, deren klangvolle Namen allein schon Wohllaut verbürgen. An der Spitze der Maestri steht der Großmeister Renato F a s a n o, dem es mit sanfter Gewalt, gelingt, aus einer Summe von Solisten ein wirkliches Ensemble zu bilden. Neben fünf Konzeiten des Schutzpatrons V i v a 1 d i wurden zwei von Zeitgenossen des großen Venezianers (Bene-detto M ar ce 11 o und Leonardo Leo) sowie ein klassizistisches, etwas aus dem Rahmen fallendes Klavierkonzert von dem jüngsten Cambini (1746 bis 1825) gespielt, dessen Wohlgestalt nicht ganz — wie bei den älteren Meistern — dem Feingehalt entsprach. Wie schön muß man musizieren, um ein solches Monsterprogramm von acht Konzerten ohne Nachlassen der Spannung zu bewältigen !

Die Neuinszenierung von Verdis „M a c-b e t h“ im Theater an der Wien ist durch die hochinteressante und moderne Inszenierung O. F. Schuhs, die kühnen und suggestiven Bühnenbilder Caspar Nehers, die souveräne und anfeuernde Leitung Karl Böhms sowie durch die glanzvolle Besetzung der Hauptpartien (Elisabeth Höngen, Josef Metternich und Gottlob Frick) keineswegs gerechtfertigt. Oder galt es, eine Lücke im Verdi-Zyklus zu schließen? Das scheint uns eine zu teuer bezahlte Akribie! Nur wenn es gelingt, sich von der Erinnerung an Shakespeare völlig zu lösen, wird diese Oper erträglich, denn der Textdichter ist —■ wie in einer Kritik des Werkes vor zwanzig Jahren festgestellt wurde — mit Shakespeare umgegangen wie ein Seeräuber, und der junge Verdi hat manchmal auch das noch totgeschlagen, was selbst der Seeräuber geschont hat. Hier wird musikalisch so ungeheuerlich und zugleich so naivgenial danebengehauen, daß den Zuhörer eine Art grimmiger Heiterkeit packt. Es gibt im,ersten Teil dieser Partitur einzelne Stellen (so etwa einen Mörder- und einen Hexenchor), deren Komik von keiner Parodie übertroffen werden kann. Wie man sich zu dieser Oper stellt, wird also davon abhängen, ob man das Genre als reines Genußmittel, als Vorwand, gefällige Musik zu hören, betrachtet, gewissermaßen als exterritorialen Tummelplatz, bei dessen Betreten man alle geistigen Ansprüche ablegt — oder als einen Bestandteil unserer Kultur, mitgetragen und mitbelastet von allen geistigen Strömungen und Gewichten der Vergangenheit und der Gegenwart...

Ein vom Italienischen Kulturinstitut in Wien veranstaltetes Konzert mit zeitgenössischer symphonischer Musik aus Italien entsprach durch die wenig glückliche Wahl der Werke und deren mangelhafte Ausführung nicht den hochgespannten Erwartungen. Weder der Eklektizismus Ottorino Res p ig h is (Concerto Gregoriano) noch die tragische Theatergebärde Ildebrando Pizzettis (Tre Preludi per l'Edipo Re), weder die unbedenkliche Art, wie Alfredo Casella in seiner Ballettmusik „La Giara“ alles verarbeitet, was gut und billig ist zwischen Verdi und Strawinsky, noch die robust-effektvolle Manier, mit der Piero Calabrini in der Suite Agreste seine Volksthemen herausputzt — all das konnte nicht überzeugen und machte einen in jeder Hinsicht recht gemischten Eindruck, der bald durch ein Konzert mit Werken wirklich repräsentativer italienischer Komponisten — es gibt deren etwa ein halbes Dutzend! — korrigiert werden sollte. (Es spielte das Orchester des Neuen Wiener Musikvereins unter Milo Wawak, Solistin: Christiana Hruschka, Violine.)

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