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Der Körper verlangt's

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Interessiert höre ich die neuesten Berichte über die jüngsten Aussprüche jenes humorvollen Praktikers, der seinen Patienten die medizinischen Sachverhalte gern mechanikermäßig erklärt, wohl in der richtigen Annahme, daß den meisten Menschen das Auto und sein Innenleben vertrauter ist als der eigene Körper mit seinen anatomischen, pathologischen und sonstigen Rätseln.

Doch findet dies, höre ich, nicht jedermanns Beifall. Nicht jeder fände etwa das Wort „schadhafter Auspuff” im Zusammenhang mit einem Hämorrhoidenleiden lustig. Und die Gleichsetzung von Herz und Pumpe, Darm und Schlauch, Augen und Scheinwerfer wäre auch nicht allen recht und angenehm. Von Kühler, Vergaser, Einspritzung, Zündung, Achsschenkel, Spur, Stoßstange, Knautschzone, Getriebe- und Blechschaden, Lack und Fahrgestell ganz zu schweigen.

Eine solche Ausdrucksweise, erklären die Gebildeteren unter den Gegnern jenes Mediziners, vereinbare sich nicht mit der Würde des Menschen, weil sein Leib nicht bloß ein technisches Vehikel sei.

Die Theologie nennt ihn gern einen Tempel des Geistes, die Scholastik etwa ein Gefäß für die Köstlichkeit der Seele, die er trägt und begleitet, um sie am Ende, nach der Gebrechlichkeit und Hinfälligkeit des Alters, in die selige Freiheit des Geistigen und Göttlichen hinein freizugeben und zu entlassen.

Aus verschiedenen anthropologischen Gründen — von der Theologie einmal ganz abgesehen — sei die mechanische Redeweise durchaus unangemessen und unangebracht und auch der Sache von Anamnese, Diagnose und Therapie nicht dienlich und förderlich, sondern eher abträglich.

Da sie also nicht nur den Menschen als Geschöpf Gottes erniedrige und herabsetze, sondern auch fachlich nichts einbringe, weil also kaum etwas für, aber sehr viel, wenn nicht alles gegen eine solche Sprache spreche, möge sie von einigen wenigen auch als „metaphorisch” und „poetisch” bezeichnet und von dieser Minderheit nicht nur gebilligt, sondern auch begrüßt und beklatscht werden, von Menschen nämlich, die von der Leiblichkeit eine ähnlich niedrige Meinung und Anschauung haben, wie sie eben diese Sprache anzeigt und zum Ausdruck bringt, sei sie entschieden und unzweideutig abzulehnen und zurückzuweisen.

Der Körper verlange nicht nur nicht, sondern verbiete geradezu solche Wörter und Wendungen.

So wächst die Zahl der kritischen Patienten im Sprengel jenes Arztes, die den Kollegen der Nachbargemeinde konsultieren. Sie ließen sich eine solche sprachliche Behandlung nicht länger gefallen, sagen diese kritischen Patienten, schließlich gebe es auch noch andere Garagen für Reparatur und Service.

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