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Die Miesmacher

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„Bei einem EG-Beitritt droht der Ausverkauf unserer Grundstücke.“ „Die Autobahnmaut wird fallen.“ Mit solchen Mutmaßungen wird derzeit ängst- licher Fatalismus geschürt.

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„Bei einem EG-Beitritt droht der Ausverkauf unserer Grundstücke.“ „Die Autobahnmaut wird fallen.“ Mit solchen Mutmaßungen wird derzeit ängst- licher Fatalismus geschürt.

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Die vor allem im ersten Halbjahr die Diskussion bestimmende irreale Jubelstimmung scheint zur Zeit zumindest in Teilbereichen in einen kleinmütigen Fatalismus umzuschlagen. Ungeprüfte Behauptungen über negative Aspekte eines EG-Beitrittes werden dabei als Tatsachen hingestellt.

Ein Beispiel: „Bei EG-Beitritt fällt Autobahnmaut in Österreich. Die Folge: Noch mehr Transitbelastung“ titelte kürzlich eine

Tageszeitung. Ausgeführt wird dann: Der mögliche EG-Beitritt Österreichs hätte zur Folge, daß „Österreich auf die weitere Einhebung von Mautgebühren auf Autobahnen verzichten muß“, dazu wird der bayerische Verkehrsminister Gerold Tandler zitiert.

Mit keinem Wort wird erwähnt, daß die Verkehrspolitik ein schwarzes Kapitel europäischer Integrationspolitik darstellt. Unerwähnt bleibt, daß verkehrsbezogen bisher kaum Fortschritte in der Frage erzielt werden konnten, ob mit der Harmonisierung oder Liberalisierung begonnen werden soll. Mit keinem Wort erwähnt wird auch, daß mit derartigen Behauptungen der bayerische Verkehrsminister möglicherweise nur präventiv gegen eine Anhe-bung der Lkw-Mauten auftrat und damit bei gut organisierten bayerischen Güterbeförderern Punkte sammeln wollte.

Für die Güterbeförderung auf der Straße wird derzeit diskutiert, ob nicht das Nationalitätsprinzip zugunsten des Territorialprinzips in den Hintergrund treten soll. Der Grundgedanke einer gerechteren Wegekostenabgeltung besteht im Kern darin, Lkw primär danach zu besteuern, wo sie bewegt, das heißt gefahren werden, und nicht, wo sie zugelassen sind, denn in den Fixkosten, wie zum Beispiel bei der Kfz-

Steuer bestehen in der Tat EG-intern, aber auch im Vergleich zu Österreich gravierende Unterschiede, die Wettbewerbsverzerrungen mit sich bringen.

Aber sind denn Mauten — bei aller Bedenklichkeit hinsichtlich der Freiheit im Warenverkehr — nicht ein Musterbeispiel für eine Wegekostenabgeltung nach dem Territorialprinzip? Im übrigen steht die Finalität, mit der Maut-Abschaffung behauptet wird, im krassen Gegensatz zur Auffassung französischer und italienischer Straßenbau-Verantwortlicher. Erst im September hatten diese auf der Internationalen Verkehrskonferenz in Berlin erklärt: „Eine Abschaffung der Autobahnmauten ist reine Utopie“.

Klar ist eines: Ein EG-Beitritt Österreichs hätte zwangsläufig eine Aufgabe nationaler Souveränität zur Folge. Verkehrsbezogen dürften die Bürden eines EG-Beitrittes größer sein als diemögli-chen Vorteile. Für die Beurteilung ist jedoch eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit den Pro und Kontras, die bei aller Unsicherheit schwierig ist, unumgänglich. Mutmaßungen, mit denen Stimmung gegen einen EG-Beitritt gemacht wird, sollten dabei keinen Platz haben.

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