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Die Protestanten im Burgenland

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Daß das Burgenland den relativ höchsten Anteil der Protestanten an der Bevölkerung in Österreich aufweist, ist bekannt. Weniger bekannt sind die Gründe für diese Tatsache, und kaum über das Burgenland hinaus bekannt sind die besonderen Charakteristika des burgenländischen Protestantismus.

Wie fast alle zeitgenössischen Erscheinungen hat auch diese Tatsache ihre geschichtliche Begründung. Das Burgenland ist 1921 Teil der Republik Österreich geworden - das weiß man; wesentlich seltener macht man sich Gedanken, wie denn das vorher gewesen ist. Gerade das aber erklärt die gewisse Ausnahmestellung, die der burgenländische Protestantismus in der Evangelischen Kirche in Österreich einnimmt.

Die Rechtsverhältnisse waren in Ungarn für die Protestanten stets wesentlich günstiger. Durch die Bestimmungen des Ödenburger Landtages war 1681 zudem ein gewisses Maß an Religionsausübung gestattet worden, das in den „Artikularkirchen“ ausgeübt wurde.

Aus diesen Gründen wurde das ungarische Toleranzpatent, das mit 25. 10. 1781 datiert ist, nicht einseitig vom Landesfürsten und seinen Behörden entworfen, sondern enthielt auch Bestimmungen, die aufgrund von Verhandlungen mit Vertretern des ungarischen Protestantismus zustande gekommen sind. Dementsprechend entstanden allein auf dem Boden des heutigen Burgenlandes innerhalb eines Jahrzehnts 18 Pfarrgemeinden (gegenüber 32 in allen anderen heutigen Österreichischen Bundesländern).

Aber auch die weitere Geschichte des ungarisch-burgenländischen Protestantismus verlief anders als die des österreichischen: bereits zehn Jahre nach dem Toleranzpatent beschloß der ungarische Reichstag die Aufnahme der „Duldung“ in die allgemeinen Landesgesetze, wobei gleichzeitig eine Reihe von einengenden Bestimmungen entfielen. Daher stehen die ältesten evangelischen Kirchtürme im Burgenland.

Vor allem aber war es ungarischen Protestanten gelungen, jede landesfürstliche Behörde abzulehnen. Der ungarische Protestantismus war stolz auf seine „Autonomie“. Diese Autonomie wurde zwar gelegentlich durch Verwaltungsbestimmungen beeinträchtigt, grundsätzlich aber nicht in Frage gestellt. So kam es zur Entwicklung des Protestantismus in Ungarn nach eigenständigen Überlegungen.

Der Anschluß an Österreich brachte zwar manche Angleichung an die hiesigen Verhältnisse, vermochte aber doch das Besondere am Wesen des burgenländischen Protestantismus nicht zu zerstören. Dieses zeigt sich auch in der Gegenwart noch in der besonderen Form des Gemeindelebens, in einer ganz starken Verankerung der Kirche in der Öffentlichkeit, in der engen Beziehung von Glaube und Sitte.

Die Besonderheit der Geschichte hat zudem ein erstaunliches Maß an sichtbarem Erbe hinterlassen, was gerade für das oft durch Kriege verwüstete

Land besonders beachtlich erscheint. Nicht nur in den benachbarten ungarischen Städten liegen reiche Schätze an kirchlichen Gegenständen aus der Zeit vor dem Toleranzpatent, auch in den Dörfern des Burgenlandes blieb so manches erhalten.

Vieles davon wird in einer Ausstellung in Oberschützen vom Mai bis Oktober 1981 aus Anlaß des 200. Jahrestages der Erlassung des Toleranzpatentes gezeigt. ; r -|

In der dortigen renovierten Kirche werden etwa 400 Exponate ausgestellt. Die ältesten stammen vom Anfang der Reformation: Bücher aus der Zeit von 1520, ein Altarbild aus diesem Jahrzehnt; die jüngsten sind zeitgenössisch und versuchen das gegenwärtige Leben der burgenländischen Protestanten zu dokumentieren.

Es ist das erste Mal, daß ein solcher Versuch in umfassender Weise im Burgenland unternommen wird. Dementsprechend schwierig waren die Vorbereitungen, und gleichermaßen wichtig ist die Dokumentation der Ausstellung in einem umfangreichen Katalog. Entsprechend ihrer Bedeutung wird die Ausstellung auch vom Land Burgenland finanziert und ideell unterstützt. Mehr als siebzig Personen und Einrichtungen des In- und Auslandes haben die Exponate zur Verfügung gestellt.

Die Wahl des Ausstellungsortes ist nicht zufällig erfolgt: in der Kirche zu Oberschützen wirkte durch 30 Jahre (1818 - 1848) Pfarrer Gottlieb August Wimmer, der 1845 mit dem „Armenlehrer-Seminar“ die erste Lehrerausbildungsstätte auf dem Boden des heutigen Burgenlandes gründete.

Oberschützen barg darum nicht nur 1921 die einzigen maturaführenden Schulen des Bundeslandes, sondern ist mit seiner Umgebung bis heute mit der einzigen evangelischen maturaführenden Schule in Österreich ein Zentrum des burgenländischen und österreichischen Protestantismus.

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