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Die Ungleichbehandlung

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Die Erörterung sozialpolitischer Fragen in der Öffentlichkeit leidet bei uns sehr oft daran, daß Emotionen die notwendige Sachlichkeit verdrängen. Hiefür gibt es in jüngster Zeit wieder ein anschauliches Beispiel: die (Nicht-)Be-steuerung des Arbeitslosengeldes.

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Die Erörterung sozialpolitischer Fragen in der Öffentlichkeit leidet bei uns sehr oft daran, daß Emotionen die notwendige Sachlichkeit verdrängen. Hiefür gibt es in jüngster Zeit wieder ein anschauliches Beispiel: die (Nicht-)Be-steuerung des Arbeitslosengeldes.

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Bekanntlich hat die stellvertretende ÖVP-Obfrau Helga Rabl-Stadler vor kurzem die Frage aufgeworfen, ob es berechtigt sei, das Arbeitslosengeld grundsätzlich von der Lohnsteuer zu befreien. Freund und Feind fielen über sie her.

Nun mag man zubilligen, daß der Gedanke, Arbeitslose zu allem Unglück noch mit Steuern zu „bestrafen", schwer erträglich ist. Ihre Hilfsbedürftigkeit und ihr Anspruch auf Unter-stützung solle ja nicht vom Fiskus gleichsam unterlaufen werden. Die gestellte Frage erscheint also „unsozial".

So weit so gut, aber an diesem Punkt der Überlegung dürfte man keineswegs stehen bleiben. Liegt nicht das „unsoziale" der Besteuerung ganz wo anders, nämlich bei der Tatsache, daß der Steuertarif schon bei Einkommen zu greifen beginnt, die dazu dienen, sich einfach über Wasser zu halten? Grundsätzlich wird die Steuerpflicht ja ganz unabhängig davon, unter welchem sozialen Titel gezahlt wird, einfach an der Höhe des Bezo-

genen gemessen und davon wissen kleine Pensionisten und schlecht bezahlte Arbeitnehmer ein Lied zu singen. S'e haben ja nicht die Wohltat einer Ausnahme jv. timmung im Einkommensteuergesetz für sich, wie sie beim Arbeitslosengeld gilt. Und da ist natürlich schon die Frage berechtigt, was es für einen Unterschied macht, ob man „zwischendurch" oder nach dem Pensionsanfallsalter „arbeitslos" wird.

Nun meinte im entflammten Streit die Streiterin für Gleichbehandlung, Frau Ministerin Johanna Dohnal, das durchschlagende Gegenargument gefunden zu haben. Sie betonte nämlich, Arbeitslosengelder würden ja ausschließlich durch die Einzahlung in die Arbeitslosenversicherung finanziert.

Leider ist dies - was die Frauen-

ministerin nicht bedacht hat - ein gar schlagkräftiges Argument für die Besteuerung dieser Bezüge. Die von ihr ins Treffen geführten Beiträge sind nämlich als Werbungskosten zur Gänze steuerlich absetzbar, weil sie ja „Ausgaben zur Erwerbung von

Einnahmen" sind (Paragraph 16 des Einkommensteuergesetzes). Und was man mit steuerfreien Beiträgen erwirbt, ist nach der klaren Systematik unseres Steuersystems dann, wenn es anfällt, steuerpflichtig. Wenn nicht, liegt eigentlich eine unsystematische Doppelbegünstigung vor, wie es sie etwa bei Pensionisten eben nicht gibt. Dies muß zur Grundsatzproblematik der Gleichbehandlung unbedingt angemerkt werden.

Noch einmal: Die Besteuerung von Arbeitslosengeld muß selbst dann mißfallen, wenn dieses die steuerliche Freigrenze übersteigt. Trotzdem erscheint es angebracht, die Grundsatzfrage zu überdenken, ob es nicht erst recht soziale Gründe dafür gibt, alle Ersatzeinkommen bei Erwerbsverlust gleichermaßen zu besteuern, wenn man sie nämlich durch steuerbefreite Beiträge erworben hat. Insofern wäre Rabl-Stadler durchaus zu folgen.

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