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Kardinal König: Nicht durch Mehrheitsbeschluß

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Kardinal König ließ am Sonntag, dem 28. August im Stephansdom ein Schreiben verlesen, mit dem er zu den Protesten der Atomkraftgegner Stellung nahm. Darin heißt es u. a.:

Die friedliche Nutzung der Atomenergie ist zur Zeit eine Frage, die weite Kreise des Vokės zutiefst bewegt. Wir alle sind uns einig in der vollkommenen Ablehnung aller Formen von Kemvemichtungswaffen. Die Kirche, der Papst an der Spitze, wird nicht müde, die Regierungen der Erde aufzufordem, sich feierlich von dieser Waffe zu trennen.

Etwas anderes ist es mit der friedlichen Nutzung der Atomenergie. Es ist ein Zeichen des Verantwortungsbewußtseins, wenn sich viele Menschen in diesem Lande Gedanken machen über die Auswirkung von Atomkraftwerken und von schwerer Sorge erfüllt sind über mögliche gefährliche Konsequenzen, die wir heute noch gar nicht abschätzen können. Solche Menschen wenden sich daher heute mit allem Nachdruck gegen den Bau von Atomkraftwerken, und die Inbetriebnahme des einen in Österreich vor der Fertigstellung stehenden Werkes. In ihrer Angst und ihrer Sorge kommen viele Menschen zur Kirche, weil sie von ihr Hilfe erwarten. Sie erwarten auch eine Antwort vom Erzbischof von Wien… _

Ein gemeinsames Wort in gesamtösterreichischen Fragen kann nur die Bischofskonferenz sprechen. Ich habe vor einiger Zeit eine Wiener Kommission eingesetzt, die sich mit dem Thema „Ethische Aspekte der Kernkraftnutzung“ befaßt… Ich bin kein Atomphysiker, ich bin kein Vererbungsforscher, kein Fachmann auf dem Gebiet des Umweltschutzes. In Fachfragen muß ich mich - genauso wie Sie - auf die Fachleute verlassen - und bei denen steht Meinung gegen Meinung. Aber ich gebe Ihnen recht,

wenn Sie sagen: diese Fragen können nicht durch einen Mehrheitsbeschluß von Fachleuten entschieden werden. Wenn auch nur eine- ernst zu nehmende Stimme gegen den Bau von Atomkraftwerken spricht, darf darüber nicht hinweggegangen werden. Daher hat die Gesellschaft, der Staat, die Regierung die Pflicht, vor einem entscheidenden Schritt alles noch einmal zu überlegen.

Überdacht muß allerdings auch die Frage werden, wie die Energieversorgung bei Ausschaltung der Kernenergie sichergestellt wird. Auch darin bin ich kein Fachmann. Aber vielleicht würde eine ernste Überlegung von uns allen eine gewisse Änderung unserer Lebenshaltung nötig machen, einen unter Umständen schmerzlichen Schritt von der Verschwendung zur Sparsamkeit Sind wir dazu mit allen Konsequenzen bereit?

Niemand von uns kann heute Endgültiges über die Folgen auch einer friedlichen Nutzung der Atomenergie sagen. Daher darf niemand bei einer so wichtigen Frage zur Tagesordnung übergehen.

*

Die vom Kardinal erwähnte Kommission steht unter dem Vorsitz des Wiener Moraltheologen Prof. Dr. Karl Hörmann. Ihr gehören weiter Prof. Dr. Rudolf Weiler, Direktor Friedrich Staudinger (Zwentendorf), Dr. Hans Michael Kaltschmied, Univ.-Prof. Dr. Gemot Eder (Atominstitut der Hochschulen), Dr. Hans Millendorfer (IIASA Laxenburg), Dr. Peter Weihs (Boltzmanninstitut für Umweltschutz) und Prof. Paul Blau (Institut für Gesellschaftspolitik) an. Die Kommission hat in vier Sitzungen einen intensiven Gedankenaustausch geführt, berichtete Prof. Hörmann in der Kathpress. Die Mitglieder sollen mm Stellungnahmen ausarbeiten, die im Herbst gemeinsam diskutiert werden sollen.

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